Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von niels »

Christel hat geschrieben:Tja lieber Niels, Jesus ist heute eine sehr bekannte Persönlichkeit. Und wie das so ist, ranken sich daher um seine Person viele Geschichten, jede mit dem Anspruch der Wahrheit. Will man heute über Jesus sprechen kommt man nicht umhin zu fragen, welcher Jesus und wessen Jesus?
Die von mir von einigen aktuellen Historikern zitierte These zu einem Lebensabschnitt der Person Jesus nimmt für sich bisher nicht den Anspruch "wahr" in Form von "100% zutreffend" zu sein - so jedenfalls habe ich diese Historiker verstanden, zumal unter Historikern ja immer noch "offen" ist, ob bzw wie und wo es die Person Jesus tatsächlich gab, wenngleich es auch als sehr wahrscheinlich angesehen wird. Die These kam bei Untersuchungen des "Lebenslaufes" der Person Jesus auf wie aus (wieder-)entdeckten Überlieferungen im vorderen Indien, wo von einer Person "Jesus" - wenn auch in abweichendem Zusammenhang - die Rede ist, die sich dort aufgehalten haben soll und in den zeitlichen Kontext passt und wo zudem recht rege Verkehrsverbindungen zwischen dem Land Jesu und der betr. Region bestand. Kein seriöser Historiker würde heute behaupten, es wäre "sicher", das Jesus als "solcher" gelebt hätte, wenngleich man es für "wahrscheinlich" hält.

Wäre es denn schlimm für die Christen wenn sich rausstellte, das Jesus lebte und sich ggf. tatsächlich dort (oder anderswo) zeitweise aufgehalten hat? Schlußendlich spielt es doch keine Rolle, wo er seine "Erkenntnis" fand bzw. "Thesen" entwickelte.
Deshalb halte ich die Kirche für wichtig! - Ginge es nur um Regeln für das Zusammenleben, Gebets- und Meditationsformen… wäre die Kirche nicht wichtig.

Hmm,
das verstehe ich nicht ganz. Ist die Kirche demnach also eine Art "offizieller" oder "akkreditierter" "Überlieferer" der Lehre Jesu (und/oder der Geschichten um ihn herum)?
Es geht um Jesus, deshalb ist die Kirche wichtig.
hmmm,
das verstehe ich nicht (zumindest erkenne ich in Deiner Aussage keinen Kausalzusammenhang.
Zweitrangig sind die Formen oder ob die Priester besondere Vorbilder sind… Darum geht es nicht.
Das habe ich mittlerweile verstanden. Demnach sind die Priester (lediglich) als eine Art "Dienstleister" am Gläubigen zu verstehen - ohne Anspruch darauf dem "Gott" näher zu sein als jeder andere.
Die Kirche ist wichtig in ihrer starren Art.
Hmmm,
mir ist bekannt, das es Menschen gibt, die eine gewisse Angst oder Unsicherheit gegenüber der Dynamik des Lebens verspüren. Der Mensch sucht - mehr oder weniger - "Fixpunkte" in seiner Welt, an denen er sich orientieren kann (oder meint, orientieren zu können - das ist quasi das selbe). Allerdings dürfte der Mensch nicht erst mit Einstein begreifen, das (fast) alles relativ ist, damit nicht "fix".

Kritisch betrachte ich allerdings, wenn dem Menschen untersagt wird, sich mit bestimmten Themen oder Zusammenhängen bewusst auseinanderzusetzen (ggf. in der Annahme, er würde dabei eh immer nur zu Irrungen kommen osä.). Bewusst heißt auch, das niemand vorschreiben kann / darf, in welche Richtung man zu schauen bzw. zu betrachten hat.

Im Übrigen halte ich die Kirche nicht für "starr", sondern eher "sehr träge". Weitaus mehr "Starrheit" findet sich z.B. in den dem Koran folgenden Religionen. Die Juden wiederum sind vergleichsweise "forschrittlich", da die Lektüre wie laufende Reflektion der grundlegenden Lehren (wenn auch ebenso hart limitiert) Teil des Religionskonzeptes ist. In der Kirche ist man im Schnitt ca. 400 Jahre "hinterher" - erst dann legt man sich fest, ob jemand wirklich "heilig" war oder erkennt wissenschaftliche Erkenntnisse als "gegeben" an. Das kann Vorteile haben, ebenso aber auch Nachteile wobei das verhältnis unkalkulierbar bleibt.
Ich meine die apostolische Sukzession, Glaubensbekenntnis, Dogmen, Festlegung des Bibelkanons, Liturgie und Kirchenjahr.
Mag sein,
immerhin wusste Freud schon gut darzulegen, welche tiefe Bedeutung Riten, Totem und Tabus für die menschliche Psyche bzw. deren Stabilität sein können. Ob und wie weit diese nun heute oder in der Zukunft für den menschen noch in Gottglaube und/oder Religion zu finden sein wird, bleibt mal dahingestellt.
Nur indem die Kirche dabei bleibt, kann sie Zeuge für einen bestimmten Jesus sein.

Den Kausalzusammenhang sehe ich nicht. Jesus hat weder die Bibel "geschrieben" noch "interpretiert". Ebensowenig stammen die wohl allermeisten Riten und Dogmen der späteren Kirche (bis heute) nicht seiner Intention. Die Kirche in Ihrer späteren wie heutigen Form ist lediglich "eine" "nicht-abzählbar-endlich" (wie der Mathematiker gut beschreibt) vieler Interpretationsoptionen, die Jesus seiner (Nach-)welt hinterlassen hat. Behaupten kann schließlich jeder Mensch alles - und glauben darf auch jeder alles, wenn er halt will...

„Und wir sind Zeugen für alles, was er im Land der Juden und in Jerusalem getan hat. Ihn haben sie an den Pfahl gehängt und getötet.
Nun,
niemand heute ist "Zeuge" der damaligen Person wie Situation. Alle müssen sich zwangsweise auf Überlieferungen verlassen, die z.T. sehr widersprüchich waren / sind. Über die "Selektion" der "geeigneten" bzw. "richtigen" Überlieferungen steuert der Überlieferer, was die Menschen über bzw. von der Person wissen und was nicht - ebenso seine Lehren, Ideen, Ziele usw.. Das trifft die Kirche ebenso wie die Wissenschaft, wobei die Wissenschaft nicht den Anspruch auf absolute Korrektheit beansprucht, sondern - weitaus fortschrittlicher - mit Wahrscheinlichkeiten agiert (warum erkläre ich gern später).

Gott aber hat ihn am dritten Tag auferweckt und hat ihn erscheinen lassen, zwar nicht dem ganzen Volk, wohl aber den von Gott vorherbestimmten Zeugen: uns, die wir mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken haben.“
Nun,
wir wissen bereits heute, das es hierfür zig ganz "natürliche" Erklärungen gäbe (Gesetz dem Fall die Überlieferung erfolgte korrekt und weitestgehend unverzerrt). Zumindest taugt sie nicht als kausaler Beleg für den Beweis, das es mehr ein "Sohns Gottes" war als jeder andere oder seine "Auferstehung" mehr von Gott bewirkte, als die eines jeden anderen Menschen, dem gleiches / ähnliches wiederfahren ist.

apropos "Auferstehung":
Während man in z.B. Indien zu seiner Zeit bereits seit Jahrtausenden Menschen kannte, die sich einem geistigen Leben widmeten wie auch Übungen, mit denen sich Asketen oder meditativ Praktizierende z.B. für Tage oder gar Wochen in den "Scheintod" begeben konnten (nicht als "Gauklerei", sondern als "medittative Übung" mit dem Ziel einer möglichen (wenn auch i.d.R. kleinen) Transzendenz, war dies im vorderen Orient bzw. dem bekannten Wirkbereich Jesus weitestgehend unbekannt. Denkbar wäre auch, das er über den damals (belegbar) regen Austausch mit Mittelasien solche Dinge "erlernt" oder zumindest "gehört" hat ohne selbst dort gewesen zu sein.

Glaube kann bekanntlich Berge versetzen.Möglicherweise wollte er demonstrieren, wie mächtig Glaube sein könne bzw. welche "Kräfte" dieser freisetze. Natürlich ist auch das Spekulation - ebenso wie alle anderen oder die der Kirche.
Das ist die Aufgabe der Kirche von Anfang an.
Nur deshalb kann ich sagen, mein Jesus, lieber Niels, ist nicht Dein Jesus.

Es sieht so aus, obgleich ich mir sicher bin, das wir von der selben Person reden - und ich werde Dir "Deinen" Jesus sicher nicht wegnehmen wollen... Allerdings spielt Jesus für mich keine derart übergeordnete Rolle wie möglicherweise für Dich. Neben ihm gab es m.E. eine ganze Reihe anderer - nicht minder fortschrittliche wie intelligente Menschen / "Lehrer" / "Propheten" oder wie auch immer man die nennen will. Ich fokussiere mich nicht auf einen, sondern betrachte die - oft verschiedenen wie gleichen - Lehren dieser (ebenso verschiedenen) Menschen, versuche zu verstehen, wo Genialität aber nicht zuletzt auch die Grenzen des Jeweiligen lagen.
Mein Jesus ist der Jeus der Kirche. Jesus war immer Jude. Er liebte den Tempel.

Richtig,
er war wohl (selbsterklärt) Jude. Christen sind (selbsterklärt) keine Juden. Hätte Jesus das gewollt? Mein Eindruck war eher, das er das damalige Judentum "überarbeiten" bzw. korrigieren wollte - es in der Form es auf frühe Ideen seiner Vorväter zurückzuführen. Soweit mich meine Menschenkenntnis nicht täuscht, würde sich Jesus heute nicht darüber freuen, was da in seinem Namen alles betrieben wurde und wird bzw. wie seine Ideen und Lehren in die Praxis interpretiert werden.
Die „Tempelreinigung“ fand nicht statt, weil ihm der Tempel gleichgültig gewesen wäre, sondern im Gegenteil, weil er ihm etwas bedeutete.
Genau so habe ich das auch verstanden und gemeint...
Jesus war nie in Indien. Wozu? Weil das heute modern ist?
nein,
weil es - zumindest wohl die historische (wissenschaftliche) Brille betrachtet - eine Reihe schlüssige Anhaltspunkte gibt. In der Wissenschaft läuft das so...
Andere behaupten Jesus wäre in Amerika gewesen.
Amerikaner behaupten gern alles, wenn es sie in Ihrer maßlosen Selbstüberschätzung dienlich sein könnte - dort verwechselt man Geschichtsbewusstsein auch gern mit Legendenpflege...
– Jerusalem war ein idealer Ort.
Klar,
die meisten Banker trifft man meist auch dort, wo es Banken gibt. Jerusalem war schon lange eine Art "Drehscheibe" für Religionen und Kulturen. Wächst man in einem solchen Umfeld auf oder lebt dort, wird sich dies wahrscheinlicher auf den Betreffenden auswirken als ggf. anderswo...
Hier trafen Menschen aller Kulturen aufeinander. Wie man sieht, hat es von dort aus recht gut geklappt mit der Ausbreitung des Evangeliums.
Ja,
so wie ein Gutteil der "Evangelien" wie "Propheten" der heutigen Banker aus London & Co. kommen - dort, wo es die meisten Banken gibt und die verschiedensten "Bankkulturen" aufeinandertreffen, es die mit längste Bankentradition gibt. Das ist nicht "zufällig" so...

Auch Microsoft Windows hat sich in der Welt verbreitet, obgleich Qualität, Fortschritt, Preis wie Zukunftssicherheit des Softwareproduktes offensichtlich vergleichsweise schlecht war. Das sich etwas schnell verbreitet, ist nicht zwingend der "Qualität" zuschreibbar. Der Trick ist, zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit dem richtigen "Produkt" aufzutauchen - die Qualität oder der Nutzen spielt dann fast keine Rolle mehr. So ist der Mensch...
In Indien fand nicht die Gottesoffenbarung statt, die Voraussetzung für Jesu Mission war.

Du warst sicher dabei - woher sonst wüsstest Du das so sicher?
Gott hat sich dieses kleine Volk im Nahen Osten erwählt, genauer gesagt, er hat es erst erschaffen, um sich beispielhaft zu offenbaren und zu zeigen, wer er ist und was er will.
Wahrscheinlich,
so wie er heute das kleine Volk der gebeutelten Afghanis "auserwählt" hat, mit den Taleban einen "Gottesstaat" zu errichten. Derartige Stories ind ja nun nicht gerade neu oder "unique"...

Die Aussage an sich ist schon hohl, denn alle Menschen wurden ja lt. Religion "erschaffen". Warum schafft er Menschen verschiedener "Klassen" um die dann aufeinander "loszulassen", damit die eine die andere "bekehrt". Achja - ich vergaß: Der Wille des Herrn ist unergründlich (und schon hat man sich aus dem Drang, nach kausalen Erklärungen zu suchen oder Widersprüche zu überdenken, ausgeklinkt).
Wirklich sichtbar hat er sich gezeigt in Jesus Christus.
Warum? Wo? Wie?
Weil er es behauptete?

Ich sage ja nicht mal, das er "Unrecht" hatte, aber das - was er (angesichts seiner sozio-ethnischen Herlkunft) als "Gott" bezeichnete, zeigt sich auf unserer Erde in jedem Wesen, ja sogar der gesamten "Welt". Er bezeichnete es als Gott - ich würde es eher als "Feld" oder "Dimension" unserer Welt beschreiben, die wir bisher als solche nicht bewusst und/oder mit dem Werkzeug des Verstandes betrachtet haben (oder zu betrachten wagten, z.B. weil man das verbot). Nur weil etwas schwer oder nur langsam zu verstehen ist, muß man es nicht ganz aufgeben oder gar verbieten...
Ich bin erstaunt, dass immer wieder gerade mit dem Blick von außen die Beichte angegriffen wird. Kritisiert wird hier die ausgesprochene und zugesprochene Vergebung Gottes.
Nun,
die Einrichtung mag heute (nach der Hochkommerzialisierung per Ablaßhandel & Co.) endlich einen mehr oder weniger "guten", "ehrlichen" Zweck verfolgen. Gut gewollt ist aber noch lange nicht gut gemacht. In der Praxis scheint sie wenig zu bewirken, außer so manchen Sünder zu beruhigen.
In Wahrheit weiß jedoch jeder Katholik, dass es so nicht läuft.
Jeder? Wo?
Ich stimme Dir zu, das es ohne echte, ehrliche und tiefe Buße bzw. Erkenntnis / Betrachtung nicht zu einem" Ausgleich" der eigenen Schandtaten kommen kann und alles andere Selbstbetrug ist. Aber genau dieser - so meine Erfahrungen (oder auch manngifaltigste Statistiken) - wird derart von nicht wenigen Christen gelebt und von einem Gutteil als "Hintertür" "mißverstanden". Dieses Mißverständnis findet seine Ursache im Konzept, weshalb das Konzept m.E. zu recht kritisiert wird und mein Eindruck ist schon das es sich nicht wenige "Katholiken" recht einfach damit machen, neue - kleinere wie größere - Schandtaten zu begehen.

Die "pauschale Reinigung" per Ostern setzt dem Irrwitz lediglich die Krone auf. Man schaut 30 Minuten in die Glotze und ist - ganz "offiziell" wieder sündenfrei...

Man kann mit Gott keine Geschäfte machen.
Das sah die katholische Kirche selbst über Jahrhunderte anders - und Reste davon finden sich bis heute in der Kirchenpraxis. Jeder Marketingfuzzi weiß heute ebenso wie die Kirche, das sich mit einem schlechten gewissen besonders viel verdienen oder bewirken lässt - je nachdem, was man mit demjenigen erreichen will.
Zur Beichte gehört die Erkenntnis der Schuld, die Reue, Wiedergutmachung soweit möglich…
Ja,
aber dazu braucht es nicht -jedenfalls nicht zwingend - die (katholische) Beichte bzw. beichte gegenüber einem "akkreditierten Jesus-Dienstleister".
Das Argument hätte vielleicht noch Gewicht, wenn Katholiken, die zu Beichte gehen (nicht alle tun das) irgendwie schlechter wären als andere Menschen, die es nicht tun. Dem ist aber nicht so!
Auf diese Debatte möchte ich mich nur ungern einlassen. Meine Überzeugung ist jedenfalls, das sie in der Summe oder Schnitt - wie Du es halt drehen willst - kein klitzekleines Stück "besser" sind. Es mag Ausnahmen geben - wie überall.
Nein, es ist die zugesprochene Liebe und Vergebung Gottes, woran sich die Menschen stören.
Das wäre mir neu - jedenfalls kenne ich niemanden, den das stören würde. Oder lebst Du in einer anderen Welt?

Meinst Du vielleicht den "Neid" derer, die etwas nicht bekommen was ihr bekommt? Gibt es sowas?

Barmherzigkeit scheint nicht in diese Welt zu passen.

Nun ich verstehe nicht wirklich, was Du mit "Barmherzigkeit" meinst.

Der Mensch ist "gut", solange man ihn nicht ins "Schlechte" zieht - z.B. mit Verblendung, Fehlinformationen oder was auch immer. Der sich aus meiner These zu Sein/Bewusstsein ergebende (scheinbar) "höhere Zusammenhang" inkludiert aus sich heraus, das Menschen:
a.) miteinander einen "konstruktiven" Weg in Richtung der bewussten Fortentwicklung zu suchen haben
b.) Die Welt oder das Universum bzw. das Sein ihnen "nichts Böses" will - eher im Gegenteil

JEDER Mensch bzw. jedes Bewusstsein wird nach dem Ableben mehr oder weniger schnell zur "vollkommenen Ruhe" und "Einheit" finden oder solange in "materialisiertes" Bewusstsein (z.B. in Form von Leben) zurückgehen, solange es danach strebt. Allerdings wird dabei unsere Indivudualität nicht in der Form bleiben, wie es heute Christentum, Islam oder auch Buddhismus vorsehen, sondern sich als kleiner Teil in einer höheren wie zugleich niederen Seinsstufe in andere Bewusstseinsformen, begibt - z.B. auch neues Leben, wobei Ich / Du / Individualität eine neue Rolle spielen. Ich kann das bisher nur eher mit den Worten des "Wissenschaft" oder den Termini anderer prägender "Lehrer" darlegen / erklären - meine aber zumindest "in Ansätzen" erfahren zu haben wie mich auch zu "erinnern", wovon ich spreche.

Auch wir sind aus diesem "Willen" heraus, individualisiert-materialisiert zu sein auf die Welt gekommen und können uns deshalb auch nicht an "die Person" oder "das Wesen" erinnern, die wir früher hätten sein müssen. Unsere Individualität ist nur "geborgt" und gültig für unsere aktuelle Lebenszeit - das wir davor oder danach Anderes sind, ist nur im Tod oder vor der Geburt "erfahrbar", wobei "Erfahrung" dort in einem ganz anderen Kontext spielt. Wir "wollen" ins Leben und es ist verwunderlich, wie negativ viele Menschen Ihrem wie anderem Leben begegnen - könnten wir es zusammen doch erheblich einfacher und "effizienter" haben, aber soweit sind wir schlicht noch nicht. Zur "Weiterentwicklung" brauchen "wir" die materielle Form, die uns zugleich zuweilen beschwerlich vorkommt - im Vergleich zu dem Zustand, in dem wir uns vor wie nach unserem Leben "aufhalten" (wobei "wir" ein sinnloser Term ist, wir sind dort ebenso Teil eines Ganzes, wie ein Liter Wasser eines großen Sees).
So sehr ich Wissen schätze, ich tausche nicht. Glaube ist keine Vorstufe von Wissen, sondern etwas gänzlich anderes.
Jein,
es kommt daran woran und wie man glaubt.

Glaubt man ohne "Verstand" bzw. kausalen Zusammenhang, hat das mit Wissen wenig zu tun. Absolut fester Glaube ist "sich eingebildetes" Wissen.

Glaube kann dagegen Ressourcen einsparen. Glaube ich z.B. einem anderen Menschen seine Aussage, gehe ich - da ich nicht überprüfen [kann/tu] - ein kalkuliertes Risiko ein, kann daraus aber Schlüsse ziehen, die mich schützen oder weiterbringen, was ohne diese nicht möglich wäre. Das nennt man dann auch "Vertrauen". Vertrauen funktioniert auf Basis von Erfahrungs- und Erkentniswerten. Interessant ist, das Menschen bis heute mit Vertrauen recht unflexibel und ineffizient umgehen. Zeigen doch z.B. Simulationen und Statistiken, das für manchen heute scheinbar immer noch "unvernünftige" Vertrauensentscheidungen außerordentlich vernünftig sein können. Je mehr wir uns untereinander vertrauen können, desto merh können wir erreichen - desto besser können wir uns schützen.

In den Religionen spielt dieses "Vetrauen" eine vornehmlich soziale Rolle. Gruppen, die sich einander trauen, sind erfolgreicher als z.B. andere. Ein exzellentes Beispiel ist z.B. das international agierende, jüdische Bankwesen im Mittelalter oder das "zuverlässige" Rechtssystem im Islam des osmanischen Reiches. "Trust" ist die Basis für erfolgreiche soziale Interaktion - ob nun in der Familie, im Geschäft oder wo auch immer.

Religion HAT demnach konkrete Vorteile für die betreffenden Teilnehmer (oft oder meist zum Nachteil der "anderen"). Fraglich allerdings bleibt, ob wir heute noch Religion als Gesellschaftskonzept brauchen und wie lange. Immerhin waren zur Zeit der großen Religionen alle Machtverhältnisse und Gesetze religös basiert und damit sozusagen "von Gott getrustet". Heute beginnen wir, selbst Regeln und Werte für unser Zusammenleben zu entwickeln. Das Konzept "Gott" tritt immer mehr in den Hintergrund, da bereits heute immer weniger menschen an einen Gott, vor allem wie ihn die Religionen beschreiben, glauben KANN (das "wollen" allein reicht ja nicht...).

Problematisch wird es dann, wenn der Trust an ein nicht replizierbares Fixum gebunden wird - also einem "Festwert", an dem man sich im Zeifel "rückversichern" kann. Was im Islam die Schrift (der Koran) ist, soll in der Kirchenreligion die Kirche abbilden. Nicht umsonst hat die Kirche - wie schon Machthaber in Zivilisationen zuvor - über Jahrhunderte / - tausende exorbitante Gebäude errichtet und Prunk angehäuft - inkl. Gold, denn Gold ist eines der ältesten "Trust"-Medien der Menschheit. Die orthodoxe Kirche treibt gerade diesen Aspekt heute erneut an unerreichte Spitzen.

Würde man dem Papst Glauben schenken, wenn er in einer einfachen Hütte z.B. in der Natur oder selbst in einer typisch "mittelständischen" Wohnung irgendwo in Europa leben würde - in einfachen Kleidern und ohne Diener, Prunk, Machtinsignien? Offensichtlich würden es nur wenige - zumindest derer, die man aus Sicht der Kirche erreichen will.

Bereits die Urmenschen kannten das Konzept des "virtualisierten" oder "imaginären" Trusts in Form von angebeteten Figuren, Naturerscheinungen etc. Die Sonne "war und ist" (aus der Sicht der Menschheit) "zuverlässig" und so war es auch kein Wunder, das die jüngsten Kulturen diese als "Gott" betrachteten. Dennoch wissen wir heute, das die Sonne keine "Scheibe" ist, die in einem Wagen über den Himmel gezogen wird... Dennoch ist die Sonne da, wo "sie hingehört"...

Denkbar wäre ebenso, den Erdmittelpunkt "anzubeten", denn der ist für den Menschen auf längere absehbare Zeit noch unnerreichbarer als die Sonne (auch wenn dies ebensowenig ewig bleiben wird).

Um eine neue Lehre zu vermitteln, benötigt es des "Trusts". In der Wissenschaft bedient man sich dazu der Reproduzierbarkeit / Replikation. Was ein Wissenschaftler in Berlin feststellen kann, muß ebenso auch einer z.B. in New York oder meinetwegen Jerusalem und Moskau feststellen können, erst dann beginnt die Erkenntnis "glaubhaft" zu werden.
Glaube (im christlichen Sinn) ist wesentlich Beziehung, genauer eine vertrauensvolle Beziehung. In erster Linie zu Christus.
...
Christsein ist Beziehung!
Nun,
seit der modernen Astro- und Teilchenphysik wissen wir, das alles in unserer Welt mit allem in (direkter) Verbindung steht. Die Teilchen eines Atoms auf der Erde stehen im Wirkunszusammenhang mit denen auf dem Jupiter ebenso in Verbindung wie mit denen, deren Licht wir heute von milliarden Jahren alten Quasaren am "zeitlichen" Anfang (oder "räumlichen" Ende?) des Universums erkennen können.

Das klingt vielleicht "abstrakt", ist aber Tatsache. In vielfältigsten weiteren Formen steht jeder Mensch (eigentlich sogar alles in der Welt) mit "Jesus" - ebenso oder ähnlich anderen Menschen der Zeiten - in Verbindung und ebenso stehen wir heute mit der "Zukunft" in Verbindung. Dieses Grundprinzip ist dem heutigen Menschen bereits bekannt, obgleich er immer noch am Anfang seiner Selbsterkenntnis steht.
Daher versammeln sich Christen um Christus.

Folge ich meiner Theorie, würde ich bejahen, das Christen, die sich mit Christus beschäftigen, auf - wenn auch sehr geringe - "zusätzliche" Weise mit ihm in verbindung setzen. Ebenso wie man sich mit einem vergangenen menschen in Verbindung setzt, wenn man an ihn "denkt" oder sich "Zeit" für ihn nimmt bzw. sich seines Handelns, seiner Ideen, Worte und Taten erinnert. Niemand würde abstreiten, das derartige Reflektionen z.B. keine Auswirkungen auf das Gehirn bzw. zukünftige Verhalten - im weitesten Sinne - nehmen würde.

Allerdings sind die Zusammenhänge bis heute nur selten "weiterführend" verständlich. Damit beschäftigen sich Religionen bzw. die Esotherik (wobei eines in das andere meist fließend übergeht).
Nicht nur geistlich, sondern real und konkret.
Ja,
in der eben beschriebenen Form. Nicht mehr - aber auch nicht weniger. In ähnlicher Form kann man sich mit jedem anderen "in Verbindung setzen".
Er, Christus stiftet Gemeinschaft zu sich und die Gemeinschaft der Christen untereinander.
Er tut dies durch seine Lehre (die auch aus seinem Wirken - nicht nur Worten - besteht).

Es wäre schön, wenn auch beim heutigen Menschen Wort und Tat eine bewusste Einheit bilden würden. 2000 und weitere Jahrtausende voll mit Religion haben den Menschen da m.E. kein Stück weitergebracht. Klar kann man behaupten, der Mensch wäre ab Geburt schlecht und nur durch Religion wäre er dazu zu bewegen, sich nicht gegenseitig auszurotten oder zu unterdrücken usw. Tatsächlich stand in den Jahrtausenden immer eine Religion oder wahnwitzige Idee eines mehr oder weniger "virtualisierten" Überwesens hinter den größten Boshaftigkeiten - direkt oder indirekt. Der Kirche mangelte es nicht an Macht, hierbei für mehr "Christ sein" zu stehen (worunter ich verstehe, den Ideen und Zielen Jesus zu folgen - nicht bloß sie brav, artig und blos nicht hinterfragt aufzuprabbeln).
Wir Christen brauchen nicht nur die Kirche als Zeuge für Christus, wir selbst bilden Kirche indem wir uns um Jesus Christus versammeln, ihn in uns aufnehmen, eine enge Beziehung mit ihm eingehen und ihm folgen.
Ebenso kann man sagen:
Christen brauchen die Kirche nicht, um sich um Jesus zu versammeln. Falls man Kirche mit "Ort der Versammlung" gleichsetzt, kann man den - wie in seiner Form und Art - wählen wo und wie man will und es spielt auch keine Rolle, ob ein "akkreditierter Vertreter" anwesend ist oder der Ort gewissen "Bestimmungen" entspricht usw.

Mein Eindruck ist, das vor allem in den "Weltreligionen" heute das praktiziert und gelebt wird, was mit den eigentlichen Ideen, Zielen oder Wünschen des betr. Lehrers nur noch wenig zu tun hat - die "Essenz" der jeweiligen Lehre damit verschüttet, verklittert oder verkleistert wurde. Zu viele allzu irdische Eigeninteressen einzelner nach den Lehrern haben die "Urlehren" durch "absolutistische Interpretation" verfälscht oder gar zerstört bzw. ins Gegenteil gedreht. Da qwird der Mensch als von geburt an "Sünder" hingestellt, so das er sich angeblich nur mit Hilfe Dritter aus der Sünde befreien könne - nicht aber durch eigene Erkenntnis.

Mir wäre neu, das in einer Gesellschaft, in der es keine oder kaum Religion gibt, mehr Mord und Totschlag gäbe als in religiösen. Mein Eindruck neigt eher in die entgegengesetzte Richtung, obgleich ich mich diesem immer noch zu erwehren versuche, da ich in jedem Menschen vornehmlich mehr "Gutes" als "Schlechtes" sehen möchte.

Gestern gab es eine interessante Doku über Thomas Müntzer, der heute weitab im Schatten hinter Luther steht. Dabei waren dessen Thesen weitaus moderner und fortschrittlicher als die Luthers, da der nicht nur den Klerus in seiner Machtposition kritisierte, sondern auch die der eingesetzten Fürsten und "weltlichen" Machthaber. Seine Idee war, das die Menschen von Führern angeleitet würden, deren Handeln "gottgefällig" sei, ansonsten haben die Menschen selbst über sich selbst zu bestimmen (in etwa die Form der Demokratie, die wir heute beginnen). Dennoch wird Luther gefeiert, Müntzer dagegen immer noch häufig kritisiert.

Offensichtlich ist der Mensch noch lange nicht soweit, seine eigenen Zügel in die eigene Hand zu nehmen und eigenverantwortlich zu leben.
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von emporda »

niels hat geschrieben:Mir wäre neu, das in einer Gesellschaft, in der es keine oder kaum Religion gibt, mehr Mord und Totschlag gäbe als in religiösen. Mein Eindruck neigt eher in die entgegengesetzte Richtung, obgleich ich mich diesem immer noch zu erwehren versuche, da ich in jedem Menschen vornehmlich mehr "Gutes" als "Schlechtes" sehen möchte.
Da liegst Du nicht ganz verkehrt, das ist zwar ein uralter Hut und immer wieder verleugnet von den offiziellen Religioten. Die Reden vom Oberschwurbler Mixa und Meisner sind geradezu beispielhaft in der Verdrängung der Realität - für die RKK heißt es schlicht Augen zu und durch

Der Soziologe Gregory Paul veröffentlicht 2005 im Journal of Religion and Society im Vol.7 eine Studie über die gesellschaftlichen Auswirkungen der Bigotterie in wohlhabenden Demokratien. Dazu nutzte er Umfragen und Statistiken zu Mord, Selbstmord, Gewalt, Schwangerschaft bei Minderjährigen, Abtreibung, usw. Das Material beschränkt sich auf die Industrieländer mit etwa 800 Mio. Menschen, nur hier liegen ausreichend viele Zahlen vor. Im Ergebnis widerlegt er die Behauptung, höhere Bevölkerungsanteile am Schöpferglauben und religiöser Verehrung korrelieren mit geringeren Raten bei Mord, Sterblichkeit junger Menschen, Infektionen mit Sex-Krankheiten, 800.000 minderjährige Schwangerschaften pro Jahr (<18 Jahre), Abtreibungen und freie Partnerschaften.

Die reiche USA ist die dysfunktionalste Demokratie und schneidet in fast allen Vergleichen fatal schlecht ab. Die Diskrepanz des irreal bigotten Moraldiktats und der realen Existenz in einer Wissens- und Leistungsgesellschaft führt zur Ausgrenzung, Fanatismus, Psychosen, Gewalt, Rassismus und hoher Kriminalität. Die USA hat eine 300-fach so hohe Rate bei Geschlechtskrankheiten und mit 2,3 Mio. Gefängnisinsassen das 9-fache der EU-27. Nirgendwo sonst erhält eine Hilfslehrerin mit begrenzten Computerkenntnissen 40 Jahre Gefängnis, weil auf einer Internetseite Pornographiewerbung erscheint, Farbige stellen 75% der durch DNA-Tests belegten Fehlurteile usw. Im forensischen Kriminallabor von Dallas findet man 2007 etwa 19.500 Proben von unbearbeiteten Vergewaltigungsfällen, der Regen tropfte durchs Dach und die Ratten fressen die Kisten mit Beweismaterial.
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von niels »

nun,
mir sind einige ähnliche Zahlen bekannt.

Die Gegner derartiger Studien ziehen gern das "Milgram Experiment" als "Beleg" dafür heran, das Menschen quasi aus sich heraus "böse" bzw. destruktiv sind und deshalb "moralische Vorgaben" oder "Anleitung" durch eine "höhere Macht" bedürfen.

Ich sehe das nicht so

Ob Naturvölker, Indianer bis hin zu Schwarzafrika. Der "Ärger" kam eigentlich überall mit den Christen oder Muslimen. Erst kamen die Eroberer, dann die Sklavenhalter mit der Peitsche und damit die Priester, die dem Sklaven beibrachten sich mit seinem "irdischen" Schicksal abzufinden um auf ein "Leben nach dem Tod" (also wenn er wertlos wurde) hoffen zu dürfen.

Ich denke das Milgram-Experiment zeigt gut, wohin uns tausende Jahre Religionsdoktrin moralisch haben ankommen lassen. Hier verwechselt man Wirkung mit Ursache. Wer käme auf die Idee, eine ungewollte Wirkung mit der selben Ursache zu bekämpfen, die für die Wirkung wesentlich (mit-)verantwortlich ist?

Ohne eigene, persönliche Verantwortung - auch für die eigenen Werte und Entscheidungen - funktioniert eine Gesellschaft nun mal eher schlecht als recht. Verantwortung aber muß man lernen und wer es nie lernen konnte / durfte / sollte, wird es auch nicht kennen / können. Zwar sprechen auch Religionen von "Eigenverantwortung" - sprechen dem Einzelnen aber zugleich jedwede grundlegene Kompetenz ab, eigene Werte auf eigenen Erfahrungen zu entwickeln und nach diesen zu handeln. So ist auch nicht verwunderlich, das vor allem in der Gemeinschaft begangene Schandtaten wie Lynchjustiz, Mobbing / Diskriminierung bis hin zu Todesstrafen vor allem dort auf fruchtbaren Boden stoßen, wo die Glaubensvorstellungen ein fixes, unkritisierbares Wertemodell aufstellen.

Glückliche Sklaven sind nun mal die größten Feinde der Freiheit. Mit welch primitiven, billigen Mitteln der gemeine Mensch "beglückt" werden kann, wussten nicht erst die Herrscher Roms. Das es bis heute kaum anders ist, erstaunt mich allerdings immer wieder.

Lange vorbei? Nein. Während die Kirche heute Europa für weitgehend "ausmissioniert" hält und wieder mal Südamerika ins Visier nimmt, greifen die Muslime nach Richtung Afrika und Mittelasien.

Aber jeder "Kulturkreis" ist endlich und ich bin davon überzeugt, das der Mensch / die Gesellschaft irgendwann am Scheidepunkt ankommt wo es zu entscheiden gilt, eine neue Welt zu betreten oder in den Annalen der Evolutionsgeschichte zu verschwinden.

Die auf uns Menschen auf der Erde zukommenden Aufgaben werden stetig wachsen und deren Lösung stetig neue, flexiblere wie zielgerichtetere Gesellschaftsmodelle auf Basis von Transparenz, Loyalität und Wissen erfordern - wo Wort und Tat Hand in Hand greifen. Wird werden es schaffen - oder uns zuvor ausrotten...
Christel
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von Christel »

Hallo Niels, Du hast mich nicht verstanden!

Was ich in meinem Beitrag vom Sonntag 28. November 2010, 19:22 in blauer Schrift schrieb sind Zitate aus dem Neuen Testament. Historiker gehen davon aus, dass es sich um Schriften aus dem 1. Jahrhundert handelt. Auch die Historiker, die spätdatieren gehen von einer Entstehung vor 100 n. Chr. aus. Zudem gehen sie davon aus, dass auf ältere Quellen zurückgegriffen wurde.
Selbst unter der Annahme einer späten schriftlichen Endfassung haben wir es hier mit Schriftstücken zu tun, die noch zu Lebzeiten einiger Zeugen für Jesus verfasst worden sein könnten. Einige Historiker setzten die Abfassung deutlich früher an.

Nehmen wir eine andere Schrift aus dem Neuen Testament: 1.Kor.
Die paulinische Verfasserschaft steht außer Zweifel. Datiert wird der Brief exakt auf das Frühjahr 55 n. Chr., also ca. 20 Jahre nach der Kreuzigung von Jesus. Dieser Brief enthält eine Formel, die Paulus selbst früher von anderen Christen übernommen hat. Paulus beruft sich dabei auf Augenzeugen und schreibt, „die meisten von ihnen sind noch am Leben“. Man konnte sie also befragen.
Die Formel lautet: „ Christus ist für unsere Sünden gestorben, / gemäß der Schrift,
4 und ist begraben worden. / Er ist am dritten Tag auferweckt worden, / gemäß der Schrift,
5 und erschien dem Kephas, dann den Zwölf.
6 Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen.
7 Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln.“ (1 Kor 15)


Der ebenfalls im Neuen Testament enthaltene Philipperbrief stammt ebenso unbestritten von Paulus selbst. Auch hier handelt es sich also um ein sehr frühes Zeugnis. In Phil 2,6-11 greift Paulus einen Christushymnus auf, der älter sein dürfte als der Brief:
Er war Gott gleich, /
hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein,
7 sondern er entäußerte sich /
und wurde wie ein Sklave /
und den Menschen gleich. /
Sein Leben war das eines Menschen;
8 er erniedrigte sich /
und war gehorsam bis zum Tod, /
bis zum Tod am Kreuz.
9 Darum hat ihn Gott über alle erhöht /
und ihm den Namen verliehen, /
der größer ist als alle Namen,
10 damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde /
ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu
11 und jeder Mund bekennt: /
„Jesus Christus ist der Herr“ - /
zur Ehre Gottes, des Vaters.


All das entspricht antiken Gepflogenheiten: Man schreibt dann auf, wenn es wichtig wird /ist und man betont dabei die Bedeutung. Es ist ein Zeugnis.

Zeugnisse kann man annehmen oder es bleiben lassen. – Ich denke, nicht dass man durch historische Forschung Jesus näher kommen kann, als diese Zeugen für Christus es waren.
Gleichzeitig zeigen diese Texte, dass die Geschichte von Jesus gar nicht so nebulös ist. Außerdem schließen sie anderes aus z.B. Jesus von Qumran, Jesus, der Lehrer aus Indien…

Die Kirche hat ganz einfach die Aufgabe an diesem Zeugnis festzuhalten. Ihr kommt dabei eine Übersetzungsaufgabe zu in andere Kulturen…, durch Formen…, Sprache, Dogmen…
niels hat geschrieben:Hmm,
das verstehe ich nicht ganz. Ist die Kirche demnach also eine Art "offizieller" oder "akkreditierter" "Überlieferer" der Lehre Jesu (und/oder der Geschichten um ihn herum)?
Darum geht es nicht. Weder der Begriff „Kirche“, noch der Begriff „Christ“ noch das Bild der Person „Jesus“ ist geschützt. Jeder kann sich so nennen, seine selbst gebastelte Botschaft verbreiten…,
doch Kirche die wirklich Kirche sein will, hält sich an die ursprüngliche Botschaft. Und wie gesagt, die ist außerordentlich gut belegt.

LG Christel
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von niels »

Wenn es vorrangiges Anliegen der katholischen Kirche wäre, an der "ursprünglichen Botschaft" (was man darunter auch immer verstehen will) festzuhalten, hätte es eine Apaltung in den Protestantismus wohl nur unwahrscheinlich gegeben.

Jede der großen monotheistischen Weltreligionen beruft sich auf einen mehr oder weniger überschneidenden Satz an Schriften und Überlieferungen. Keine ist dabei dem "Gott" näher als die andere - aber jede beansprucht dies für sich.

Mit Wissenschaft wird man den Lehren wie Überlieferern noch am transparentesten nahe kommen. Was genau da jemand wie gewollt hat, wird wohl niemand anders besser wissen können als die Lehrer und Überlieferer. Mit Wissenschaft können wir maximal daran arbeiten, die Authentizität von Überlieferungen zu prüfen bzw. einzuschätzen - mehr oder weniger genau. Ob und was wir daraus womöglich lernen können - z.B. über Kultur, Gesellschaft und Psychologie der damaligen Menschen - ist noch lange nicht erkundet.

Umso wichtiger ist m.E. die Betrachtung und Aufarbeitung aller verfügbaren Schriften, Lehren und Überlieferungen auf sachliche wie mythische Weise - unabhängig davon, wieviele Menschen später welcher und aus welchen Gründen hinterhergelaufen sind. Das ist ein Theme für sich - in der betr. Zeit dieser Menschen.

Die Wissenschaft kann da nur Kausalzusammenhänge erkennen und kommunizieren - das mythische Verständnis ist eine persönliche Sache eines jeden Menschen, die man keinem anderen überlassen kann, ohne sich in Pseudo-Erfahrungen hinzugeben.

Nur weil eine Religion erfolgreich in ihrer Ausbreitung / Mission ist, sind ihre Überlieferungen noch lange nicht authentischer noch ein Forschritt in der Entwicklung der Menschheit. Man käme ja auch nicht auf die Idee, eine ansteckende Krankheit sei "gut", weil sie sich so "erfolgreich" und "hartnäckig" ausbreite.

Und nur weil z.B. die meisten anderen in den Fluß oder den (mehr oder weniger "heiligen") Krieg rennen, ist es noch lange keine gute Empfehlung es ihnen gleich zu tun.

"Lemminge" sind der wohl heute bekannteste Begriff für Wesen, die sich - ganz auf die Mitwesen verlassend und diese kopierend / denen nachlaufend statt selbst bewusst lernend/erfahrend - irgendwann unaufhaltsam in den Abgrund stürzen. Ohne ihren "Gott" - den Computerspieler, der für diese das Denken und Lenken übernimmt - wäre ihr Schicksal schon zu Anfang besiegelt.
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von Christel »

@ Wenn Menschen immer ihr vorrangiges Anliegen im Blick hätten, wäre manche Aufgabe leichter zu lösen, manch eine Zusammenarbeit wäre einfacher… Aber so sind Menschen in der Regel nicht.
niels hat geschrieben:Wenn es vorrangiges Anliegen der katholischen Kirche wäre, an der "ursprünglichen Botschaft" (was man darunter auch immer verstehen will) festzuhalten, hätte es eine Apaltung in den Protestantismus wohl nur unwahrscheinlich gegeben.
Nicht unbedingt! Es gab ja eigentlich nicht die Reformation. Sondern viele Reformatoren und entsprechend viele Reformationen. Die Reformatoren waren sich untereinander nicht unbedingt grün.

Niels, Du erwähntest bereits Thomas Müntzer. Er wird oft auf den Bauernkrieg hin reduziert. Ich denke er war gar kein schlechter Theologe, doch das ist wenig bekannt. Dennoch werden hier Unterschiede deutlich. Müntzer und die Bauern, Luther und sein Fürst <-> der katholische Kaiser. Es war auch von reformatorischer Seite nie nur ein Glaubensstreit.
Außerdem gab es noch Calvin, Zwingli… um nur einige zu nennen.

Die ökumenische Bewegung, die Anfang des 20. Jahrhunderts entstand, hatte nicht von Beginn an die Einheit aller Christen zum Ziel. Nein, die vielen unterschiedlichen evangelischen Gemeinschaften versuchten sich zu einigen.

@ Es gibt einen Unterschied zwischen mythisch und mystisch.

Mythisch hat immer einen gemeinschaftlichen Charakter. In unterschiedlicher Weise knüpfen Mythen an Wirklichkeit an und deutet sie. Mythen sind identitäts- und gemeinschaftsstiftend.
Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber wie viel am christlichen Glauben historisch und wie viel mythisch ist.

Mystik ist hingegen immer ein persönliches Erleben. – Ein Beispiel:
Als Kind faszinierte mich eine Weihnachtskarte mit einem Zitat von Angelus Silesius
"Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geborn und nicht in dir; du bleibst noch ewiglich verlorn."
Ich überlegte, was das bedeuten könnte. Christus muss in mir geboren werden?

Ähnliches drückt das Lied „ Zu Bethlehem geboren“ von Friedrich Spee aus:
http://www.gedichte-lyrik-poesie.de/Spe ... index.html

„Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ schreibt Paulus in Gal, 2,20

Das ist christliche Mystik. Im Herzen der Gläubigen findet Geburt und Auferstehung von Christus statt.
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von niels »

hmmm,
meine persönliche Ansicht ist, das man - wenn man etwas tun will - es entweder richtig tut - oder zumindest ernsthaft und redlich bestrebt ist, dies zu tun - oder man sollte es doch besser (anderen über-)lassen.

Warum sollte ich mich z.B. eine Gruppierung oder Organisation anschließen, die sich zwar einem gemeinsamen Ziel verschrieben hat, deren zentrale Figuren oder "Angestellte" diesem Ziel gar nicht selbst sichtbar - oder wenigstens in erkennbar ehrlichem Bestreben - folgen? Bin ich da nicht allein - oder bei anderen - mit meinem Ziel womöglich besser aufgehoben? Was könnte mir solch ein "Angesteller" noch mehr vermitteln, als aus alten Lehren zu zitieren (lesen können wir heute ja selbst).

Die Reformation - vor allem im progressiven Sinne Müntzers - war nie "nur" Glaubensstreit, sondern ein Streit um Machtverhältnisse und dabei die Fundierung von Macht auf Glaubensprinzipien. Ohne Glaube hätte es die Machtprinzipien nicht geben können - zumindest nicht in der "auf Gott" berufenden, unkritisierbaren Form.

Zwar funktionieren Diktaturen auch ohne "Gottprinzip" - zur Zeit Luthers und klange zuvor schon war das Gottprinzip erfolgreichstes Machtprinzip der Diktaturen, wie sie sich wie Perlen an einer Kette durch die Geschichte ziehen.

Nochmal zum Thema "Mythik und Mystik":
Wie heute schon in einem anderen Thread hier dargelegt, finden Mythen wie Mysterien ihren Boden im "Abstraktionszwang" des Menschen bzw. in unserer Tierwelt insgesamt (sehe auch den Menschen als ein "Tier" im naturwissenschaftlichen Sinne).

Mythen sind demnach "vergemeinschaftete" Mysterien - demnach aus der Sicht der Beteiligten "gemeinschaftsstiftend". Allerdings sollte man Ursache und Wirkung nicht verwechseln - wie z.B. beim "Henne-Ei-Problem". Ebenso ist z.B. auch "Ü-Ei-Sammeln" wohl unbestritten "gemeinschaftsstiftend" - ähnlich auch Dinge wie Kleingärtnerschaft oder "Hobbies" im weitesten Sinne - oder auch das Internet.

Die Wissenschaft ist ebenfalls "gemeinschaftsstiftend" mit dem Ziel, eine der gesamten Menschheit gemeinsame (Sub-)Menge der Erfahrung zu bauen wie zu pflegen, welche dem Menschen als "Werkzeug" oder "Mittel" in weiteren Erfahrungs- wie Erkenntnisprozessen dient. Sie findet ihre "Erdung" bzw. Fixpunkt (auch wenn dieser beweglich bleibt) in der Reproduzierbarkeit - unabhängig von beschränkten, raum-zeitlichen Bedingungen.

Natürlich kann auch die heutige Wissenschaft keinesfalls Antworten auf alle denkbaren Fragen geben - weder dem Einzelnen noch der Gemeinschaft. Es ist aber m.E. der einzige Weg, gemeinschaftlich (!) einer Wahrheit überhaupt näherzukommen - sie zu erreichen bleibt letztendlich jedem einzelnen Bewusstsein überlassen. Darüberhinaus ist genau so wichtig zu wissen, was man nicht weiß!

Das Paradoxon der Weltanschauungen erinnert mich an die Geschichte der "2D-Wesen" - Wesen die lediglich zwei Dimensionen kennen und deren Welt sich über erkennbare 2 Dimensionen (Länge und Breite) erstreckt. Die 3. Dimension ist unbekannt und für ein 2D Wesen einem anderen 2D Wesen eigentlich nicht beschreibbar - selbst wenn es die 3. dimension selbst "erfahren" hätte. Ebenso könnte ein 3D Wesen dem 2D Wesen nur schwer begreiflich machen, wie die 3. Dimension aussähe.

Man könnte darüber orakeln, was die 3. Dimension ist und wie sie sich auswirke - womöglich würden manche 2D Wesen ein auftauchendes 3D Wesen zu einer Art "Überwesen" oder "Gottheit" erklären - oder aus der 3. Domension bedingte Ereignisse der Gottheit zuschieben. Im "realen" Bild (also einer dreidimensionalen Betrachtung, wie z.B. wir sie kennen), was die 3. Dimension ist, brächte dies kein 2D Wesen weiter und viel weniger würde es lernen bzw. erfahren können, wie man die 3. Dimension begeht oder nutzt oder welche Möglichkeiten und Risiken sie ihm und seiner Art bietet.

Dennoch gibt es für das 2D Wesen Wege, eine 3. Dimension zu "ermitteln" - sogar reproduzierbar. Es könnte eine dritte Dimension - also eine Biegung oder Krümmung der 2D Welt bestimmen, indem es z.B. ein großes Dreieck abläuft und die Winkel bestimmt. Ergeben diese keine 180", ist die Welt in die 3. Dimension gekrümmt - ergibt sie 180", ist sie über die Fläche des Dreiecks planar ("eben"). Beide Aussagen geben dem 2D Wesen eine reproduzierbare Erfahrung, auf die es aufbauen und die 3. Dimension erkunden kann.

Im klassischen Sinne könnte - ja müsste man Wissenschaftler mit derartigen Erkenntnissen zu einem "Propheten" oder gar "Messias" deklarieren - mit dem Unterschied zu religiösen/mythischen Lehrern, das die Erkenntnisse für jedermann und dauerhaft reproduzierbar bleiben - auch ohne das der Überprüfende den Erkenntnisprozess des "Propheten" oder "Lehrers" selbst er- bzw. durchleben bzw. leisten müsste.

Ich persönlich finde es seltsam, das doch recht viele Menschen vornehmlich den Lehren Glauben schenken, die in ihrer (angeblichen) "Erkenntnis" für sie offensichtlich nicht bzw. niemals reproduzierbar wären - oft sogar soweit, das sie dagegen sogar reproduzierbare, aber womöglich zu ihrem Glauben gegensätzliche Erkenntnisse in Frage stellen und damit reproduzierbare Erkenntnisse bremsen bzw. gar wirksam verhindern..

Vertrauen ist gut - Kontrolle ist "besser". Ohne Vertrauen geht es im Leben nicht - Vertrauen ganz ohne jedwede Kontrolle führt ebenso ins Verderben. Diese Prinzipien lassen sich heute durch theoretische wie praktische Betrachtungen und Simulationen belegen bzw. immer besser verstehen.

Bis heute hat der Mensch keine vollkommene "Bewusstseinsschnittstelle" schaffen können, welche das Bewusstsein wie die umfassende Erfahrung einem anderen auch nur annähernd greifbar machen kann. Wenn wir von "Erfahrungsaustausch" reden, meinen wir vielmehr "Erkenntnisaustausch", denn die mystischen Komponenten unserer Erfahrungen bleiben unüberwindbar unsere eigenen.

Z.B. wissen wir bis heute nicht, ob die Farbe "grün" für andere Menschen so aussieht, wie für uns - statt "gelb" o.ä. Da wir alle "wissen", was "Grün" ist, spielt es für unseren Erkenntnisaustausch keine Rolle.

Für unser Weltbild können wir demnach nur das an "Erfahrung" für vollkommen gegeben und unhinterfragbar übernehmen, was für uns geeignet mittelbar reproduzierbar bzw. "kontrollier-" bzw. "belegbar" ist/bleibt und selbst dann bleibt lt. Heisenbergs Unschärfe ein "Restrisiko", das es tatsächlich anders ist - mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit.

Alles andere ist für uns weniger als reines Glücksspiel - denn beim Glücksspiel sind zumindest die Wahrscheinlichkeiten bekannt.

Aber es bleibt jedem selbst überlassen, was er glaubt, denkt, annimmt - die Gedanken sind bekanntlich (noch) frei (sollten es jedenfalls sein)...


Cheers,


Niels.
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von Christel »

niels hat geschrieben:Warum sollte ich mich z.B. eine Gruppierung oder Organisation anschließen, die sich zwar einem gemeinsamen Ziel verschrieben hat, deren zentrale Figuren oder "Angestellte" diesem Ziel gar nicht selbst sichtbar - oder wenigstens in erkennbar ehrlichem Bestreben - folgen? Bin ich da nicht allein - oder bei anderen - mit meinem Ziel womöglich besser aufgehoben? Was könnte mir solch ein "Angesteller" noch mehr vermitteln, als aus alten Lehren zu zitieren (lesen können wir heute ja selbst).
Für die meisten von uns stellt sich bezüglich der Kirche die Frage so nicht.
Wir sind drin, gehören dazu durch unsere Eltern…
Jeder, der auf diese Weise dazu kam, macht seine eignen Erfahrungen mit der Institution, die sehr unterschiedlich sein können. Das hängt u.a. vom Pfarrer ab, der in der Heimatpfarrei tätig ist u.v.a.m. Bei regelmäßigem Gottesdienstbesuch kommen automatisch Inhalte rüber, durch das Kirchenjahr, Liturgie, Wortgottesdienst, Eucharistie. So entsteht ein Bild von der Kirche.

Mitunter ist die Zugehörigkeit auch sehr locker. Auch hier entsteht ein Bild von Kirche, doch weniger aus eigener Erfahrung, sondern aus zweiter Hand, Familie, Nachbarn, Mitschüler... die Medien…

Wer in einem katholischen Umfeld lebt, dem stellt sich manches bestimmt anders, als dem, der mehr oder weniger als einzelner Katholik lebt. Wer kaum mehr als einen Pfarrer kennt, sieht vielleicht manches anders, als der, dem schon viele Priester begegnet sind und ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten, Stile und Anschauungen kennen gelernt hat.

-> Wir können also keinesfalls von einem einheitlichen Bild von der Kirche ausgehen.

Ich bin aufgewachsen mit regelmäßigem Gottesdienstbesuch in der Diaspora. Im Laufe meines Lebens habe ich viele unterschiedliche Pfarrer getroffen. Von keinem würde ich sagen, er hätte nicht ehrlich und sichtbar am Ziel gearbeitet. Meine ursprüngliche Pfarrei ist schon lange aufgelöst. Als Kind konnte ich beobachten, wie die Leute in der Kirche immer weniger werden. Durch die Ausbildung und weil in meiner Gemeinde nichts lief, ging ich auch in andere Gemeinden… usw.

Was das Thema betrifft „Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche“, so habe ich, obwohl ich in dieser Kirche aufgewachsen bin und immer aktiv war, aus eigener Erfahrung mit der Kirche hier kaum Anknüpfungspunkte. Es waren immer Nichtkatholiken, die eifrig aufklärerisch dabei waren mir zu sagen, was mir die Kirche alles verbieten würde, die kath. Pfarrer waren es nicht!
Ich interessiere mich nicht für die Schlafzimmer von Pfarrern, ich finde das ist deren Sache. Wenn ich Aussagen des Papstes lese, dann interessieren mich seine theologischen Aussagen. Ich will nicht behaupten, dass diese in den gängigen Medien nicht vorkommen, ich staune aber mit welcher Präzision die kleinste Aussage des Papstes… über Sex, Kondome von den Medien herausgefiltert wird, als wäre dies das Wichtigste und Neueste von der Kirche. Anschließend wird in der Regel jemand von „Wir sind Kirche“ befragt und der redet dann auch nur von Sex, Kondome… - also immer dasselbe und das hat absolut nichts mit der Kernbotschaft der Kirche zu tun. Dann wundert sich die Bewegung noch, dass ihr der Nachwuchs fehlt.

Daher lieber Niels, ich kann es aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. – Ich sehe es als Problem der Außendarstellung von Kirche, aber nicht als Problem, wenn man in der Kirche ist. Es ist ein Problem, welches viel mehr unsere Gesellschaft beschäftigt, als die Kirche selbst. Ich vermisse hier die viele beschworene gesellschaftliche Toleranz. Aber vieleicht erwarte ich zu viel. Wem sexuelle Freizügigkeit nicht weit genug geht und wem das der wichtigste Lebenssinn ist, dem fällt es schwer ein Zölibat zu tolerieren. – Mir ist es egal. Ich ereifere mich hierbei nicht.
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von niels »

Für die meisten von uns stellt sich so die Frage nicht.
Wir sind drin, gehören dazu durch unsere Eltern
Hmm,
damit kann ich gar nichts anfangen.

Warum sollte ich ganze Teile meiner Lebenszeit bzw. Lebensressourcen einer Sache widmen, die weder mit meinen überschneidende Ziele verfolgt noch sonst mir oder der Menschheit mehr zu bieten hat als ich bzw. mein eigenes Tun?

Auch Sklaven waren über Jahrhunderte deshalb Sklaven, weil schon die Eltern Leibeigene waren. Man hatte aber auch keine andere Wahl. Eine solche Erklärung führte wohl nicht weit...

Ich denke nicht, das ein Gutteil der Religiösen deshalb religiös lebt, weil oder obgleich man sich davon nichts erwartet - nur weil man es "so gewohnt ist" bzw. "schon die Vorfahren das machten" - ich denke auch nicht, das die Kirche ein Konstrukt ohne verfolgte / zu verfolgende Ziele ist.

Die Begründungen, die ich bisher von Gläubigen hörte, richteten sich alle mehr oder weniger fundierte Ziele welche am Ende der kürzeren oder längeren Kausalkette vornehmlich egoistisch (wobei ich "Egoismus" hier gar nicht werten will) gerichtet waren.

Da ging es entweder ums eigene (!) Seelenheil oder den Wunsch auf eine womöglich "bessere" Position auf der Zuteilungsliste für Plätze im Himmel usw. - Nicht selten aber auch um mehr "Anerkennung" im sozialen Umfeld.

Z.B. das gelebte Ideal - "liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" (in der Form einer zumindest angestrebten Gleichwichtung von gemeinschafts- und ichbezogenen Interessen) - traf ich dabei auch nicht häufiger als bei jedem anderen Menschen - dafür das gesprochene Wort umso häufiger (so aber z.B. auch bei Kommunisten).
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von Christel »

Niels Du hattest geschrieben: „Warum sollte ich mich z.B. eine Gruppierung oder Organisation anschließen“

Ist man drin, stellt sich die Frage so nicht, man ist ja schon drin.
Ist man drin, kann man höchstens fragen, sollte ich weggehen?

Nur weil schon meine Eltern drin waren, ist für mich kein Grund wegzugehen. Aus dem pubertären Alter bin ich heraus.

Wie bereits dargelegt, halte ich unterschiedliche Sichtweisen auf die Kirche für normal.
Wie Du Dir denken kannst, teile ich Deine Sichtweise auf die Kirche nicht!

Mir fallen unendlich viele Gründe ein, um zu bleiben, jedoch kein einziger Grund, um die Kirche zu verlassen.

Wie Du dies moralisch bewertest ist mir egal. Es muss mir egal sein, um meine eigene geistige Freiheit zu waren. Diese Freiheit ist übrigens ein Grund, um bei der Kirche zu bleiben. Die Kirchenzugehörigkeit hat mich immer schon etwas weniger anfällig gemacht für Parolen oder großen Worten wie Menschheit, Fortschritt… kurz für den Zeitgeist.

Freiheit ist für mich ein Grund zum Bleiben in der Kirche: „Ich werde ihm einen weißen Stein geben und auf dem Stein steht ein neuer Name, den nur der kennt, der ihn empfängt.“ Off 2,17

In der Antike bekam ein freigelassener Sklave einen weißen Stein mit einem neuen Namen. Darauf nimmt die zitierte Zusage Jesu aus der Offenbarung Bezug. Wenn Christus uns diesen weißen Stein überreichen wird, sind wir endgültig frei. Zwischen ihm und dem Empfänger wurde ein Band geknüpft, das nie wieder zerstört wird - eine Intimität, in die keiner einbricht, eine gegenseitige Liebe, die im Laufe des ewigen Lebens weiter wachsen und sich entfalten wird.
http://www.adventisten.de/glaube-im-all ... -12122010/
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von niels »

ob nun hin oder weggehen - es handelt sich um die selbe Frage, da um den selben Kontext. Schließlich "geht man immer wieder hin" bzw. investiert stetig neu Ressourcen - je nachdem wie man es ausdrücken / sehen will.

Ich berwerte da überhaupt nichts moralisch - und was sollte ich auch bewerten. Du nennst auch nur einen Deiner Gründe: "Freiheit".

Allerdings ist mir unverständlich, wie man in einer weiteren Bindung eine (erweiterte) Freiheit erreichen will - oder meinst Du eher das Gegenteil: die Flucht aus (zuviel) Freiheit? Das lässt Deine Darlegung ja offen...
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von Christel »

Der tote Mensch ist der Mensch mit der geringsten Bindung, wenn man körperliche Prozesse nicht berücksichtigt. (Ich meine hier den Ganztod, also nichts Seele, weiterleben nach dem Tod, bei Gott…) Der Tote ist absolut unbeeinflussbar, ihm ist alles egal, selbst egal gibt es für ihn nicht mehr. Der Tote hat keine Bindung! Ist er frei? Nein! Er kann nichts mehr! Freiheit und Leben gehören zusammen! Ohne Leben keine Freiheit!
Angenommen man lebt als sich selbstgenügende Monade, ohne Bindung, ohne Außenkontakt. Da man sich selbst genügt ist man glücklich. Aber die freiheitlichen Möglichkeiten sind dennoch eingeschränkt, denn die ganze Freiheit besteht darin sich immer nur mit sich selbst zu beschäftigen.

Menschen sind keine sich selbstgenügenden Monaden. Um uns zu entwickeln, zu verwirklichen… bedürfen wir der Kommunikation. Wenn wir auf die Welt kommen, werden wir empfangen. – Hoffentlich von liebevollen Menschen, die sich an uns binden und so unsere Entwicklung ermöglichen. Wenn wir mal nicht so stark sind, sind hoffentlich liebevolle Menschen für uns da…
Wir Menschen haben Bedürfnisse, benötigen andere Menschen, Nahrung, Dinge…
Freiheit bedeutet für mich nicht Bindungslosigkeit, sondern manches anders sehen zu können. Ist dieses Leben nicht alles, muss ich aus diesem Leben nicht alles herausholen, ich kann ein Stück gelassener sein bzw. wieder werden.

Die Bibel handelt von Sklaverei und von einem Gott, der daraus befreit. „Ihr habt gesehen, was ich den Ägyptern angetan habe, wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und hierher zu mir gebracht habe.“ Ex 19,4
Fest der Befreiung

Es war, als das Volk Israel noch in Ägypten lebte. Hunger hatte es einst dorthin getrieben. Jetzt hatten sie genug, aber der Preis dafür war ihre Freiheit geworden. Versklavt und ihrer selbst entfremdet, hatten sie Fremden zu dienen. Sie schrieen zu Gott, dass er sie rette. Und so geschieht es: Moses darf das Volk auf Gottes Geheiß zur Freiheit ermutigen. So wagen sie eines Tages den Ausbruch - und ihre Flucht aus dem Sklavenhaus gelingt wider alles Erwarten. Dieses Wunder der Befreiung bewahrte sich Israel für alle Zeit in der Feier des Pascha. http://www.uni-muenster.de/FB2/philosop ... ascha.html
Nicht zufällig schreibt Paulus „als unser Paschalamm ist Christus geopfert worden.“ 1 Kor 5,7
Es geht auch hier in der Bibelstelle um Befreiung, Befreiung davon alles haben zu müssen, jedem Impuls folgen zu müssen, um geistige Freiheit. Freiheit ist sowieso das große Thema von Paulus:
So waren auch wir, solange wir unmündig waren, Sklaven der Elementarmächte dieser Welt.
4 Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt,
5 damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen.
6 Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater.
7 Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott. (Gal 4,3-7)
Zuletzt ist es die Befreiung vom Tod:
„Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod.“ (1.Kor 15,26)
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von niels »

Freiheit - auch im Kontext eines Lebewesens - ist eine höchst relative Sache.

Das Lebewesen ist gebunden an seine Materie wie die begrenzte Funktionalität seines Körpers - aber auch an den raum-zeitlichen Kontext "seiner" Materie wie die lokale Begrenzung seines Bewusstseins. Er muß sich stetig um begrenzte Ressourcen mühen, um den Erhalt der Lebensfunktionen uvm.

Im Gegenzug "gewinnt" der die Optionen, mit anderer Materie in gerichtete, bi-direktionale Wechselwirkung zu treten. Vereinfacht könnte man sagen, mittels des Lebewesens gelangt Bewusstsein zur Fähigkeit, Materie zu bedingen und so raum-zeitliche "Individualität zu schaffen".

Individualisierung könnte man als einen Kernparameter oder eine Dimension unseres Seins bzw. Universums begreifen, die - wie auch die anderen bereits erkundeten Dimensionen - das Sein vertiefen, indem sie sich im Potential gegenüber dem "Nichts" erhöhen bzw. ausweiten.

Die "Aufgabe" von Lebewesen könnte man demnach so verstehen, als das sie durch ihr bewusstes Tun das Bewusstsein des Universums erweitern (dessen Teil wir sind) - zugleich vertiefen wir damit unser eigenes "Sein".

Im Tod "lösen" sich diese Bindungen und die Verhältnisse des betr. Bewusstseins bzw. Bewusstheit ändern sich - ja kehren quasi um. Das Bewusstsein bzw. die Bewusstheit wird befreit von der raum-zeitlichen "Einengung" oder "Konzentration" auf die Raum-Zeit des jeweiligen Lebewesens.

Das "Bewusstsein zerfließt sozusagen aus der Individualität ins nicht-Individuelle".

Man könnte das, was manche Menschen mit "Seele" umschreiben mit einer Schale Wasser vergleichen, die mit dem Tod ausgegossen wird. Das Wasser bildet zwar nicht mehr eine raum-zeitlich zusammenhänge, lokalisierte Einheit und es ist kaum mehr etwas "In der Schüssel" - dennoch ist das Wasser nicht weg und es geht zurück in den Kreislauf des Wassers. Es ist unwahrscheinlich, das genau die selben Wassermoleküle später wieder in einer neuen Schüssel zujsammenfinden, dennoch wird es immer wieder neue Schüsseln mit Wasser geben können.

In der Geburt kommt der Ausdruck nicht-individuellen Bewusstseins zum Tragen, sich raum-zeitlich begrenzt zu individualisieren um eine Freiheit gegen eine andere einzutauschen.

Unser Bewusstsein ist quasi - wie auch die Materie aus der wir bestehen - "geborgt" vom Universum und es spielt gar keine Rolle, ob unser heutiges Bewusstsein analog der Schüssel Wasser schon einmal in einer Schüssel war - also "unsere" Seele schon immer "unsere" war. Die Antwort auf eine solche Frage wäre ebenso richtig mit ja wie nein zu beantworten. Ebenso könnte man auch die nur aus der beengten Sicht eines Lebewesens stellbare Frage: gibt es ein oder weitere Leben nach dem Tod mit ja wie nein beantworten - diese Frage spielt spätestens mit dem Eintritt in den Tod keinerlei Rolle mehr.

Die Lösung von der raum-zeitlichen Fokussierung des ehem. Individuums bedeutet zugleich ein Auflösen der Beschränkungen von Raum und Zeit im dem Lebewesen bekannten engen Sinne. Das Bewusstsein ist zugleich an allen Orten wie in allen Zeiten unseres Universums. Wir werden zugleich Teil all unserer Vorfahren wie Nachkommen - auch allen früheren wie späteren Lebewesen usw. Die einem Lebewesen bekannten "Leiden" existieren nicht mehr - zugleich kann sich so "jederzeit und überall" Bewusstsein zu neuer Individualität zusammenfinden und so in ein neues Lebewesen "kristallisieren".

Was wir Lebewesen als "Idividualität" verstehen, ist tatsächlich wohl lediglich ein sehr geringer Ausschnitt auf das, was Individualität darstellt und was diese mit Bewusstsein und Bewusstheit gemein hat bzw. wie eng sich das eine mit dem anderen bedingt.

Entsprechend vielfäältig könnte das Leben im Universum - bereits heute wie erst recht in der Zukunft - "aussehen" und wir würden einige Vorstellungen von dem, was wir als Leben sehen, verwerfen wie neu schreiben müssen.

Das sonst in der Raumzeit "dünn verteilte" Bewusstsein vertieft sich in Richtung Individualisierung durch die "Konzentrierung" auf einen raum-zeitlich engen ort - das raum-zeitlich kleine Lebewesen.

So einfach wie zugleich so unvorsstellbar ist das ;)

Interessant wäre da z.B., die gesamte Individualisierung wie Bewusstheit unseres Universums zu bestimmen um daraus womöglich Rückschlüsse auf die Verteilung von bewusstem Leben bzw. Bewusstsein an sich über und in unserem Universum treffen zu lassen. Wir würden ev. auch feststellen, das es noch weitaus bewusstere und/oder weitaus mehr Lebewesen in inserem Universum gibt, als wir es uns nicht mal annähernd vorstellen könnten - vielleicht aber auch, das wir Menschen mit womöglich nur wenigen anderen Lebewesen "heute" erst ganz am Anfang dieser Entwicklung stehen.

Cheers,


Niels.
Christel
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von Christel »

Habe ich das richtig verstanden?

Ich plädiere für die Befreiung vom Tod und für ein individuelles Weiterleben:
Christel hat geschrieben:Zuletzt ist es die Befreiung vom Tod:
„Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod.“ (1.Kor 15,26)
Du begrüßt den individuellen Tod als Befreiung:
niels hat geschrieben:Im Tod "lösen" sich diese Bindungen und die Verhältnisse des betr. Bewusstseins bzw. Bewusstheit ändern sich - ja kehren quasi um. Das Bewusstsein bzw. die Bewusstheit wird befreit von der raum-zeitlichen "Einengung" oder "Konzentration" auf die Raum-Zeit des jeweiligen Lebewesens.
Das "Bewusstsein zerfließt sozusagen aus der Individualität ins nicht-Individuelle".
„Jesus Christus, der Auferstandene, das bedeutet, dass Gott aus Liebe und Allmacht dem Tod ein Ende macht und eine neue Schöpfung ins Leben ruft, neues Leben schenkt.“ Dietrich Bonhoeffer (Das Wunder der Osterbotschaft)
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Re: Sexualmoral oder Bigotterie der Kirche

Ungelesener Beitrag von niels »

nun,
nur weil man etwas "begrüßt" bzw. sich - z.B. aus der momentanen Situation ein Individuum in der Form eines Menschen bzw. Lebewesens (mit Leb3enserhaltungstrieben wie auch dem raum-zeitlich fokussierten Bewusstseinseindruck) - wünscht, muß das noch lange nicht so eintreten und es gibt auch keinerlei Grund einer sachlichen Annahme, die dies so stützen würde (und daran ändert auch nichts, wenn sehr viele daran glauben - der Mensch glaubte auch mal, die Erde sei eine Scheibe und er war sich so wichtig als das er nicht mal anerkennenwollte, das sein Planet nicht die Mitte des Weltalls bildet usw.).

Zwar ist Individualität Ziel bzw. Ursache jedes Bewusstseins (beides bedingt sich gegenseitig und ist Ziel unseres Universums - in etwa wie die raum-zeitliche Ausdehnung Ziel und Ursache zugleich sind. Am "Ende" dieser Kette (innerhalb unseres "Seins") steht die "Vertiefung" des Seinspotentiales unseres Universums), jedoch wird "Individualität" von Menschen bis heute weithin nur im Kontext "Mensch sein" oder Lebewesen betrachtet , was z.B. "nach" dem Tod bzw. "vor" der Geburt nicht mehr der Fall ist.

Das räumlich-fokussierte Bewusstsein, wie es in der Vorstellung vieler Menschen "ewig fortlebt", beruht auf einem Denkfehler, den wir heute lösen können. Raum und Zeit sind verschiedene Ausprägungen des selben Zusammenhanges und bedingend miteinander verwoben. Ein raum-zeitliches "Individuum" muß demnach zwangsweise auch zeitliche Grenzen haben - egal ob diese nun 100 oder Milliarden Jahre betragen. Vor oder nach dem Leben spielt dieser raum-zeitliche Fokus keine Rolle mehr. Erst damit wird "Ewigkeit" möglich. Allerdings bedeutet auch Ewigkeit einen anderen Zusammenhang als es die meisten Menschen verstehen, die darin eine Art "unendliche Aneinanderreihung an Zeiteinheiten" sehen, wie wir sie als Lebewesen erleben. Ohne festen Ort gibt es aber auch diesen Zeitbegriff nicht mehr. "Ewigkeit" bedeutet, das ein Bewusstsein bzw. eine "Individualität" mit allen Zeitpunkten des Seins - also z.B. auch vor wie nach "seinem" Leben (wobei "sein" schon keinem irdischen Sinn mehr entsoricht) "gleichzeitig" verbunden, ja sogar an ihnen präsent ist - ebenso betrifft dies auch den Raum, den das Bewusstsein sozusagen "ausfüllt" - unser Raum-Zeit-Verständnis ist aufgehoben. Wir "treffen" sozusagen unsere Vorfahren wie Nachkommen - werden "eins" mit ihnen. Aus diesem "Eins-sein" entstehen u.a. auch neue Lebewesen, sozusagen mit einer "neuen Aufgabe" betraut und einer neuen Individualität - insbesondere raum-zeitlich. Es speilt keine Rolle, ob das Individuum zuvor bereits einmal Individum war, denn ein solcher Zusammenhang macht keinerlei Sinn.

Das Konzept des "ewigen Leben", wie es dem Menschen seit gut 2000 Jahren oder länger vermittelt wird, trägt zwar einige fortschrittliche Denkansätze mit sich, kann dem Menschen aber nicht annähernd erklären, warum wie woher er kommt und warum er wohin geht. Um aber das "ich" verstehen zu wollen, müssen solche Fragen beantwortet werden und dabei wrd man auch feststellen, das Du, Ich und Andere aus ein und dem selben Bewusstsein, einer "Menge" an Individualität kommen und für diese quasi "mitverantwortlich" sind, denn - nennen wir es vereinfacht "Dies- und Jenseits" (was so nicht richtig ist, denn Beides ist Teil beides) - bedingen sich intensiv gegenseitig. Besser könnte man "Dies und Jenseits" mit Individualität und Bewusstsein gleichsetzen - in beiden Zuständen bzw. "Aggregaten" zugunsten jeweils einer Richtung verschoben. Wichtig dabei ist nur, das es im "Jenseits" keine bis kaum Individualität und damit auch kein "Du" und "Ich" gibt, denn dort spielt es nicht nur keine Rolle, es würde sogar hinderlich sein und die Fortentwicklung des Bewusstseins - und damit auch höherer Lebensformen nach uns - behindern.. Raum-zeitliche Individualisierung bedeutet auch "Leiden" wie "Freuden" - ohne Individualität spielt dies keine Rolle.

Möglicherweise macht diese Vorstellung manch Menschen Angst, widerstrebt die allein die Vorstellung womöglich seinem "Individualisierungstrieb", wie er sich u.a. im "Lebenserhaltungstrieb" äußert. Dabei gibt es keinen Grund Angst haben zu müssen, denn wir gehen dorthin, woher wir kommen und "kommen wieder", wenn wir das wollen - wenn auch nicht als das selbe Individuum wie im letzten Leben oder als "ein ich im neuen Individuum bzw. Lebewesen", wie das z.B. Buddhismus vorsieht, noch weniger ein "ich als das selbe Individuum im selben (quasi "reparierten") Körper" wie es z.B. das Christentum kennt. Langeweile, Dunkelheit, Schmerz o.ä. Fragen spielen dort keine Rolle.

Das sich Individualität aber nicht nur im Lebewesen findet und nicht nur an ein Lebewesen gebunden ist, leuchtet ein, wenn man die Natur insgesamt betrachtet. Alle Materie, alle Energie ist einem stetigen "Fluß" unterworfen - veränderlich ist die Menge an Bewusstsein bzw. individualität über die (ebenfalls veränderliche) Zeit. Damit höheres Bewusstsein und Individualität entstehen kann, muß sich bestehendes umformen bzw. erweitern, was nur durch das Aufbrechen der alten Individualität möglich ist.

Zumindest wenn wir die Natur bewusst betrachten und versuchen unsere "Eigenwilligkeiten" aus dem Blickfeld zu schieben , dürfte uns diese Vorstellung am wahrscheinlichsten erscheinen.

Warum auch sollten wir uns daran hindern, unser Selbstverständnis als Teil des Bildes der Welt nicht selbst weiterzuentwickeln, statt unbewusst betrachtet alten, bis heute statischen Überlieferungen zu glauben? Haben nicht auch die Menschen damals ihr Weltbild weiterentwickelt, wenn auch auf noch recht flachem Niveau? Haben nicht auch Buddha, Jesus usw. versucht, ihre Vorstellungen / Erkenntnisse so in Worte zu gießen, als das sie von den Menschen ihrer Zeit "verstanden" werden konnten?

Wissenschaftliche Sprache war damals - wie auch Wissenschaft selbst - quasi nicht vorhanden - schon gar nicht in der breiten Bevölkerung. Viel mehr als stark vereinfachende Aussagen konnte nur schwer vermittelt werden. Das und wie eine Selbstbetrachtung möglich ist, beschreiben bestehende Denk- oder auch Meßverfahren - dabei galt dies noch vor 100 Jahren als "unmöglich".

Immerhin war es für die Menschen (und ist es z.T. immer noch) ein schier unüberwindlicher Schritt anzuerkennen, das unsere Vorfahren Affen bzw. Tiere waren - ja irgendwann sogar simpelste Einzeller. Dennoch ist es - nach all unseren heutigen Erkenntnissen wie Erfahrungen - das mit Abstand wahrscheinlichste
Szenario, das unsere Herkunft über die letzten Millionen / Milliarden Jahre beschreiben kann.

Niels.
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