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Klar Niels, wir haben ein kleines Verständigungsproblem. Du verstehst etwas anderes unter Moral bzw. Nützlichkeitsdenken als ich und umgekehrt.
Für "Nützlichkeitsdenken" trifft bzw. traf dies sicher zu
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Für Dich ist Moral gleichbedeutend mit konformen Verhalten, für mich nicht.
Ja und Nein,
so einfach ist das nicht.
"Moral" hat zwar immer etwas mit "konformen" Denken / Verhalten zu tun - ebenso kann es aus einem anderen Blickwinkel heraus "inkonform" sein.
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Unter Moral werden die ethisch-sittlichen Normen, tragenden Überzeugungen, Grundsätze sowie Werte einer Gesellschaft verstanden.
Das hatten wir schon.
Das Problem fängt dort an, wo man "Gesellschaft" definieren will. denn alles, was wir heute als Gesellschaft verstehen, ist nicht gegeneinander abgrenzbar - so ist jeder Mensch Teil bzw. "Teilnehmer" in min mehreren "Gesellschaften" - die wiederum verschiedene bis gar gegensätzliche "Normen" haben. Z.B. kann man als Teilnehmer in derart Fällen zwar moralisch (nach den "Normen" der einen Gesellschaft) handeln, verstößt damit aber zugleich gegen die Norm einer anderen Gesellschaft deren Teil man ist. Demnach ist die Norm aus meiner einen Gesellschaft nicht die Norm meines Mitmenschen in einer anderen Gesellschaft, in der ich bin. Schlußendlich könnte man auch versuchen einen gemeinsamen "Nenner" zwischen allen Gesellschaften zu finden - mit wachsender Zahl "Gesellschaften", in der ein Mensch Mitglied ist, tendiert die Zahl der verbleibenden Normen gegen Null.
Nebenbei ist "sittlich" ein noch schwammiger Begriff - den man in etwa "sittlich ist das, was moralistisch ist..." definieren könnte (bzw. nicht könnte) - und sich so für Definitionen kaum eignet. "Sitten" sind ebenso an Gesellschaften / Gruppen gebundene Verhaltensnormen, wie es "Moral" ist - zumindest gibt es eine nicht kleine Schnittmenge.
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Die Wertung „moralisch“/ „unmoralisch“ ergibt sich daraus inwieweit das Verhalten diesen Grundsätzen entspricht, also konformes Verhalten = moralisches Verhalten.
Im Prinzip ja.
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Dennoch, gerade wenn es die Moral betrifft werden rein sachliche Diskussionen schwierig.
Ja und Nein,
nein - wenn man lediglich erklären bzw. vereinbaren will, was "Moral" ist bzw. wie sie funktioniert.
ja - wenn man über den Wert von "Moral" befinden möchte.
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Weil jeder seine moralischen Vorstellungen als richtiges und gutes Handeln interpretiert.
Dann ist es keine "Moral" - möglicherweise gerade noch "Eigenmoral" (wenn ich den Begriff richtig interpretiere).
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Moral ist nicht nur eine Sache der Gesellschaft, sondern Bestandteil einer jeden Persönlichkeitsentwicklung.
Ja, insoweit die Person "Moral" aufnimmt - d.h. die Normen aufnimmt, speichert, (erinnert) und anwendet. So zumindest wird "Moral" von den (meisten) Menschen gelebt und auch verstanden.
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Schon Paulus schreibt: „Wenn nämlich die Heiden, die ein Gesetz nicht haben, von Natur aus tun, was des Gesetzes ist, so sind sie, obgleich sie ein Gesetz nicht haben, sich selber Gesetz; sie lassen erkennen, daß des Gesetzes Werk eingeschrieben ist in ihre Herzen, wovon ihr Gewissen Zeugnis gibt und die Gedanken, die sich gegenseitig anklagen oder verteidigen“ (Röm 2,14f.)
Das ist nicht ganz dumm, denn eine ganze Reihe Lebens- und Überlebensprinzipien sind uns von der Natur genetisch oder mnemetisch mitgegeben.
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Demnach hat jeder Mensch für sich selbst eine Moral unabhängig davon, ob es gesamt gesellschaftlich festgelegte Normen, Werte ... gibt.
Nein,
Moral ist i.d.R. "kopiert" - maximal noch in einem einmaligen Lernprozess selbst abgeleitet.
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Umgekehrt bildet erst die Summe dieser individuellen Wertvorstellungen die Moral einer Gesellschaft.
Echt?
Dann wäre die Summe dessen, was über unsere Triebe hinausreicht - eine Null. Denn allein die Menschen sind schon zu verschieden.
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Deshalb ändert sich die Moral von Gesellschaften fortwährend.
Ja, denn Triebe ändern sich.
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Die Moral einer gesellschaftlichen Gruppierung oder von Individuen muß nicht mit der gesamt gesellschaftliche Moral übereinstimmen.
Du widerprichst Dir - hast aber recht.
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Außerdem eine Regel / Gesetz wird aufgestellt um einen Wert zu schützen. Unter bestimmten Umständen kann jedoch diese Regel ihr Ziel verfehlen und sogar entgegengesetzt wirken.
Ja,
genau hier haben Gesetz und Moral ihre Grenzen.
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Daraus folgt, dass Menschen sich gerade aus moralischen Gründen nonkonform Verhalten und sei es nur weil der Wert „Ehrlichkeit“, höher geschätzt wird als Anpassung.
So einfach ist das nicht.
Gesetze sind manchmal noch unvollkommener als Moral - zuweilen ist es aber auch andersherum (so kann ein Gesetz in bestimmten Situationen höher geschätzt werden als "moralische" Vorstellungen).
Nicht jeder wird in der Situation die "Ehrlichkeit" als richtig oder gar klug werten - meist findet man sogar das Gegenteil.
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Wie gesagt, bei der Moral geht es um das richtige und gute Handeln.
Ja,
aus dem eigenen Blickwinkel heraus - mit eigenen Zielen (wenn auch nicht immer direkt).
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Alle moralischen Verhaltensregeln haben dies zum Ziel. Zuweilen stellen sie sich später unter bestimmten Umständen als kontraproduktiv heraus und müssen geändert werden – aus moralischen Gründen.
Ja genau,
aber erst, wenn eine "unfunktionierende" Moral sich als "kontraproduktiv" herausgestellt hat - was mangels stetigem Feedback der Handelnden erst stark verzögert passiert (also schon nennenswerter bis großer "Schaden" angerichtet wurde) - kann ein "optimieren" oder gar löschen einer Norm erfolgen / möglich sein.
"Gut gemeint" ist noch lange nicht "gut" - dazu braucht man "gut" nicht mal zu definieren.
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Zum richtigen und gutem Handeln, also zum moralischen Handeln, gehört auch das bewußte Handeln.
Nein,
hier verdrehst Du den Zusammenhang. Moral != bewusster Prozess - meint "Moral" ist der Teil des Denkens oder Handelns, der unbewusst - d.h. ohne tiefergehende Betrachtung - erfolgt. Sicher wird jeder Mensch bei all seinen Entscheidungen nur einen Teil Moral einfließen lassen - aus meiner Sicht wird dieser (z.B. aus Bequemlichkeit, fehlender Erfahrung oder fehlendem Selbstvertrauen) zu oft zu hoch bewertet / in Übermaßen verwendet.
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Ein handeln, welches geltende Verhaltensweisen hinter fragt.
Der Teil, der hinterfragt, ist keine Moral.
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Wer einfach Regeln abarbeitet und vielleicht noch jeden verurteilt, der es nicht tut, handelt damit noch lange nicht moralisch (gut).
Das ist richtig - aber ebenso auch, wer "zu viel Moral hat". Weniger wäre häufig mehr...
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Nützlichkeit ist ein sehr viel rationalerer Begriff als „gut“.
Ja,
die Summe aller Nützlichkeiten und Unnützlichkeiten im abgeschlossenen System (z.B. Universum) ist Null.
die Summe aller Nützlichkeiten ist Null.
Könnte man schon von Kirchhoff ableiten...
Allerdings macht mir Dein Posting nicht ganz einfach zu verstehen, was DU darunter verstehst.
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Er umfasst für mich nur einen Bruchteil der Lebenswirklichkeit. Würde ich alles nach der Nützlichkeit betrachten und bewerten, verarmt mein Leben.
Das kommt darauf an, was man unter "nützlich" versteht.
Alles, was nicht direkt oder indirekt auf einen Nutzen zielt, ist vertane Lebenszeit / verpuffte Ressourcen. Nahezu alles Denken von lebewesen - inkl- dem menschen - zielt auf "Nützlichkeit" ab. Allerdings unterscheidet sich das, was Derjenige in der jeweiligen Situation unter "nützlich" versteht, gravierend. Für den einen ist es nützlich, den anderen wenn er anderen hilft den nächsten wenn er sich die Taschen voller Geld haut - ohne Rücksicht auf andere - für wieder andere vielleicht in den Himmel zu kommen, wofür man auch Dinge tut, deren Nützlichkeit sich ihm nur "mittelbar" (z.B. per Religion) eröffnet.
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Zwischenmenschliche Beziehungen werden schwierig. Alles wird zum Markt, jeder zur Ware. Selbst der rationalste Mann kommt nicht auf die Idee, wenn er eine Frau anbaggern will zu sagen „Du kannst mir nützlich sein. Komm lass uns ein Zweckbündnis eingehen und heiraten.“ Oder?
Nein,
Deine "Nützlichkeit" scheint sich auf (sehr kurzsichtigem) "Eigennutz" zu beschränken (oder sowas ähnliches) - so wie sicher nicht wenige Menschen heute leben bzw. dahinvegetieren.
Hier kommt es darauf an, was man unter "Gemeinwohl" versteht. Versteht man sich selbst als nahezu oder ganz gleichbedeutenden Teil der Menschheit, hat man als Mensch die halbe "Miete". "Nützlich" wird es aber erst, wenn man auch bewusst handelt - d.h. unter stetig neuer - möglichst tiefer Reflektion - selbst wenn es im Einzelfall, für Dritte oder im Moment auch "kontraproduktiv" - oder gar "unmoralisch" - scheinen mag.
Was die von uns diskutierten Experimente und Vorfälle betrifft, so ist Anerkennung innerhalb der Sozialgemeinschaft, also „Eigennutz“ nur ein Teil der Erklärung.
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Beim „Milgram-Experient“ oder auch bei den Vorfällen in den Gefängnissen ging es bei den unmoralischen Handlungen immer auch um das Gemeinwohl. Beim „Milgram-Experient“ um den Fortschritt der Wissenschaft. In den Gefängnissen um den Schutz der Gemeinschaft vor bösen Menschen, vor Terror ...
Ja,
um das Erreichen von Gemeinwohl durch "moralisches" Handeln oder, weil Moral hier nicht helfen konnte . das bewusste Handeln aber (wegen der bequemeren "Moral") nie richtig erlernt wurde...
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Nützlichkeitsorientiertes Handeln ist immer zielorientiert.
Ja,
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Es fragt weder nach Gerechtigkeit, noch nach Barmherzigkeit. Ob das Handeln wirklich nützlich war, ist immer eine andere Frage. Meist stellt es sich erst im Nachhinein heraus, mitunter gerade angesichts vieler sinnloser Opfer.
Falsch,
gerade das Nachfragen und Überdenken soll ja Ziele auftun, die man als ideal ("nützlich") sieht und erreichen will.
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Moralisch Handeln heißt gut und richtig Handeln. Das bedeutet auch verantwortungsbewußt Probleme in den Blick nehmen und dabei nicht dem Menschen aus dem Blick zu verlieren.
Nein,
Moral heißt Verantwortung abgeben, indem man Entscheidungen der allgemeinen Norm unterordnet. Handelt man gegen Moral, erfolgt dies mit Sicherheit auf eigene Verantwortung.
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Ich glaube die meisten zwischenmenschlichen Probleme bis hin zu globalen Konflikten entstehen nicht, weil Menschen sich in Sicherheit wiegen, sondern weil sie sich bedroht fühlen, nicht selten ohne Grund. Vielleicht entstehen sogar mehr Konflikte aufgrund dieser Einbildung als durch tatsächliche Bedrohung.
Ja,
Angst scheint das, was die meisten Menschen antreibt. Angst vor Armut, Krankheit, Einsamkeit oder Tod. Angst ist einer der stärksten Triebe - zumindest bei uns Säugetieren. Die Angst - von der Natur ursprünglich als Notsignal in ernsthaft bedrohlichen Situationen angelegt - wird vom Menschen mißbraucht. Der Mißbrauch wird steigt perfektioniert, da der die Angst kontrolliert, auch die Macht über den Menschen hat.
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Stimmt! Dass alles zusammenhängt, eine Art aus der anderen hervorgeht, damit hatte er Recht. Aber mit dem Kampf der Arten als Motor des Fortschritts, wie es scheint, unrecht.
Nein,
es war zwar nicht ganz so einfach, wie er es z.T. auslegte - das Grundkonzept stimmt bis heute.
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Eine Theorie, die aus ökonomischen Vorstellungen kam und nun mit „biologischer“ Begründung verstärkt in die menschliche Gesellschaft zurück wirkte. Ziel war der Nutzen – das Gegenteil wurde und so meine ich, wird durch dieses Denken erreicht.
Das verstehe ich nicht...
In jeder wissenschaftlichen Arbeit ist der Nutzen das Ziel - auch wenn der Nutzen sich nicht jedem Dritten erschließt.
Würden wir Menschen nicht "nützlich" denken / handeln, würde es uns nicht geben.
Ich sehe Darwins wichtigen wissenschaftlichen Beiträge für die Fortentwicklung unserer Naturwissenschaft bis heute. Er war sicher Naturwissenschaftler - jedoch kein Ökonom - wenn doch, dann ist er vielleicht über's Ziel hinausgeschossen.
Ich habe den Eindruck, das Dich Darwins "Fehltritt" weitaus mehr beeindruckt als das, was er naturwissenschaftlich erarbeitet hat. Ich sehe Darwin lediglich als Naturwissenschaftler. Daher ist mir bekannt, das selbst geniale Naturwissenschaftler sehr of keine guten Ökonomen, Philosophen oder was auch immer nicht Naturwissenschaftliches sind. Einstein war ein genialer Wissenschaftler, auch wenn z.B. seine Beziehung zu Frauen - wie man heute weiß - nicht nur "nette Züge" - kannte.
Mendels Theorie ist übrigens mindestens ebenso löchrig und - aus heutiger Sicht - fehlerbehaftet (was Du - um nur ein Beispiel zu nennen - schon aus Hrn. Bauers Artikel ableiten kannst).