Ich sagte Dir bereits, dass ich erfolgreich und gut nicht gleichsetze.
Datum ging es im Zitat nicht, sondern das Begriffe wie "gut" und "böse" - ebenso wie "erfolgreich" und "nicht erfolgreich" enorm vom Standpunkte / Blickwinkel des Betrachters abhängen. Was manch einer für "gut" und "positiv" in seiner Wirkung betrachtet, mag für einen anderen "böse" und nicht tolerierbar sein (ganz simples Beispiel: Sterbehilfe; Kondome usw.).
Theoretisch lässt sich darüber lange debattieren, was vom Thema wegführt.
Wie aber willst Du über "Böses" (bzw. das Gegenteil von "Gutes") debattieren, wenn nicht mal klar ist, was die Debattierenden darunter verstehen? Ohne auch nur eine Grundvereinbarung über "gut" und "böse" zwischen den Debattierenden wird man kaum eine sachlich-fruchtbare Diskussion führen können. Dabei geht es nicht mal um Details - was heute wann warum wie "gut" oder "böse" ist - nein, ganz im gegenteil, woher kommt was wir als "gut" oder "böse" verstehen wollen oder tun und wie entsteht es?
M.E. liegt der Großteil der Antworten auf Deine Frage in diesem (scheinbaren) "Dilemma" begründet. Jedenfalls verstehe ich Dein Topic so, das Du mit "Verführung" eine "Verführung zum Bösen" meinst.
Beispiel 1.)
Legt z.B. ein Mensch für sich fest, er müsse 1 Jahr lang fasten, weil das für ihn "gut" sei - bricht aber bereits nach 30 Tagen ab, weil er sich von Nahrung "verführen" ließ, so hat er sich aus seiner Sicht "verführen" lassen - deren "Macht" hat ihn übermannt. Dabei würde ein guter Teil der Menschen seinen Standpunkt kaum nachvollziehen können - einzelne andere dagegen schon.
Beispiel 2.)
Wenn eine Gruppe von Menschen sich entscheidet, eine andere umzubringen, weil sie diese für "gefährlich" hält (für die persönliche Familie, die eigene Gesellschaft, die Menschheit insgesamt usw.) dann ist man sich sicher, etwas "Gutes" zu tun. Die Beweggründe müssen dabei nicht mal typisch "egoistischer" natur sein - können also auf ganz andere Menschen oder Dinge bezogen sein.
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In den allerseltensten Fällen möchte ein Mensch etwas aus seiner Sicht "Böses" umd des "Bösen" willens tun - fast immer trifft man auf Konstrukte der Vorstellung oder Standpunkte, die eine solche Tat aus der Sicht des Begehenden "rechtfertigt". Gründe können vielfältig sein - die bekanntesten sind sicher: "Rache", "Ohnmachtsgefühl", gefühlte "Ungerechtigkeit" usw.
In nur einem Teil der Fälle steht derjenige auch später zu seiner Tat, weil auch dann noch seine Überzeugung von seinem Tun stark genug ist - andere wissen dann (angeblich) "gar nicht mehr, warum man sich zu sowas hat hinreißen lassen" (wenn Entscheidung und handlung zeltlich eng zu einander liegen, spricht man halt vom "Affekt"). Das Prinzip hinter beidem aber ist und bleibt das Selbe.
In der Praxis weiß es jeder Mensch, zumindest dann, wenn es ihn selbst trifft. Böse ist, wenn einem jemand Leid zufügt bzw. jemanden anderen Leid zuzufügen – Mal ganz einfach ausgedrückt
Das klingt mir - ehrlich gesagt - etwas zu naiv gestrickt.
Warum verprügeln Eltern ihre Kinder, die nach eigener Aussage ihre Kinder lieben? Warum machen Menschen Krieg (selten war das offiziell erklärte Ziel der Kriegsführer wie der einfachen Soldaten die Destruktivität)? Nein, was "gut" ist und was "böse", bestimmt jeder Mensch für sich selbst - oder er "kopiert" derartiges Wissen erfahrungslos und damit "unvollständig" von anderen / der "Masse der Gesellschaft". Je mehr Menschen kopieren, desto eigendynamischer wird der Prozess, in dem sich Menschen Normen für "gut" und "böse" bilden - desto "abgekoppelter" von bewusster Realität entwickelt sich dieser.
Selbst wenn jemand vorsätzlich böse handelt, tut er dies in der regel aus einem "gerechten" Selbstverständnis heraus. Nur in den seltensten Fällen ist jemand bereit, sein bewusstes Gewissen - und damit sich selbst - "aus freien Stücken" zu beschädigen.
In seinem Buch „Der Luzifer-Effekt – Die Macht der Umstände und die Psychologie des Bösen“ ist nicht der psychisch belastete oder gar kranke Mensch, nicht der Mensch, der durch Erziehung, Moral... einen besonderen Knacks hat, der Ausgangspunkt, sondern der normale, gute, freundliche, hilfsbereite Mensch, genauer
Menschenkenntnis scheint m.E. nicht jedermanns Sache.
Eine solche Annahme wäre schon auf den ersten Blick viel zu kindlich (auch wenn sie dennoch sehr verbreitet ist).
Fast jeder Mensch ist "normal" und wurde in seinem Denken und Tun durch seine gene, seine "Aufzucht" (im weitestens Sinne) wie durch "persönliche" Komponenten ("Selbstbestimmung", wobei diese m.M.n. zum allergrößten Teil - aber nicht komplett - aus den beiden ersten Punkten bedingt werden / bestehen) geprägt.
Die Vorstellung, der Mensch sei nur durch "externe" Einflüsse gesteuert ist falsch - ebenso aber auch, das ein Mensch durch Prägung durch Erziehung und Genetik allein zu einem bewussten, verantwortungsvollen Handeln findet, was ihm (im "erweitersten Sinne") die für ihn "nachhaltig hilfreichen" und damit" guten" Entscheidungen treffen lässt.
Der Mensch ist sich noch lange nicht seiner Situation wie seiner "Aufgabe" "bewusst" - demnach auch nicht, das nur die Dinge, die seiner Art bzw. seinem Planeten in seiner Fortentwicklung "helfen" können - auch für ihn wie seine Nachfahren gut sind. Ein Großteil der Menschen denkt ja nicht mal weiter als die zwei-drei Generationen seiner Nachkommen, die er nich selbst erleben darf / kann / tut. Dabei ist er selbst ja nur ein winziges Glied in einer von vielen riesigen "Ketten".
Nachplappern und Nachahmen ist die erste Stufe des Lernens, erst in der zweiten beginnt der Lernende eigene Schlüsse zu ziehen - richtige wie falsche. Je weiter sich z.B. ein Mensch oder (abstrakt) Bewusstsein entwickeln wird / kann, desto größer wird seine Verantwortung für sich selbst - für seine Person wie für seine Nachfahren, desto hinderlicher wird ihm das "bequeme" Verlassen auf die Erfahrungen oder Normen anderer.
Gemäß Evolutionstheorie spielt der "Zufall" eine nicht gering gewichtete Rolle bei jeder Evolution wie wir sie kennen. demnach sind "Ausreißer" aus dem Normen und Wertekorsett einer Gesellschaft immer vorporgrammiert - egal ob sie im Einzelnen vorteilhaft oder nachteilhaft für die Art wirken. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt... Ebenso wichtig aber ist das "ausgewogene Verhältnis" zwischen N"achahmung" und "Ausprobieren". Auch dieser Faktor spielt für das, was manch Mensch heute als "Böse Versuchung" empfindet, eine gewichtige Rolle. -> Damit nur ein weiteres Beispiel dafür, das eine Definition von "gut" und "böse" allein vom Standpunkt abhängen. Es dürfte schon schwer genug fallen, entsprechende Situationen in einen der bisher genannten Sachverhalte einzuordnen.
Ein Beispiel für situative Einflüsse ist eine Gefängnissituation, wie sie im Buch der „Luzifereffekt“ einen breiten Raum einnimmt.
"...Wenn ich vom Tisch aufstehe, wische ich mir "situativ bedingt" den Mund sauber...."
oder gar
"situativ bedingt" (der Tank war fast alle) mußte ich mein Auto zum Tanken fahren - dort lernte ich meine heutige Ehefrau kennen...
Was sagen uns solche Aussagen?
Ich kann immer noch nichts mit dem Begriff "situativ" anfangen, denn immer und alles ist die Situation für alle "situativ". Meinst Du damit z.B. eine "außerordentliche Situation" (aber was ist "außerordentlich" und was nicht)
oder stattdessen
eine Situation, auf dem der "Proband" auf seine eigene Verantwortung gestellt wird/wurde (wozu auch gehört, das sie nicht seiner "üblichen" Lebenssituation entspricht, die ja i.d.R. nur geringe Ansprüche an seine Verantwortung stellt - zumindest bei Menschen mit "ausgeprägt eingeengter Flexibilität" in der Lebenssituation)?
Möchte man etwas wissenschaftlich betrachten, muß man da klarere Definitionen bringen. Auch ich kann kaum über einen Sachverhalt diskutieren - schon gar nicht wissenschaftlich - der nicht eindeutig umrissen oder definiert ist. In der Wissenschaft findet man immer mal wieder nicht greifbare Begriffe, die vor allem dort gern eingeführt und benutzt werden, wo der Verwender selbst nicht in der Lage ist, die Sache wissenschaftlich zu umreißen. Einen ähnlichen Eindruck habe ich bisher mit diesem Wort oder Term.
"situativ" klingt (für mich bisher) dagegen in etwa wie: "weil's grade mal so ist...", was keine gute oder brauchbare Erörterungsbasis bieten könnte.
Warum ist Zimbardo nicht dafür „die Spitze“ unbehelligt zu lassen?
"Der Fisch stinkt immer vom Kopf" - das wusste man auch schon vor Zimbardo.
Weil sie verantwortlich sind. Es ist möglich Situationen zu schaffen, wo Menschen unmenschlich handeln, ohne dass dazu ein Befehl erteilt werden muss
In "fachkreisen" nennt man dies auch simpel "Manipulation". Wenn eine Gesellschaft bzw. deren Regierung sukzessive die Bürger- und Menschenrechte abbaut - mit der Begründung den Menschen wieder "Sicherheit" bieten zu können, die "sie brauchen", dann werden Menschen auch ohne kausal definierten Befehl in dieser "Moral" handeln. Ob das Handeln "bewusster" oder "unbewusster" erfolgt, spielt dabei irgendwann keine Rolle mehr.
Hier greft auch Deine These " Manipulation sei nur vorsätzlich / bewusst möglich" klar ins Leere, denn soziale Prozesse agieren nach hochdynamischen Prinzipien und Prozessen. Die "Manipulation" ist "vollkommen"; wenn niemand mehr mitbekommt manipuliert zu werden oder zu manipulieren". Demnach wird Manipulation dann auch nicht negativ betrachtet werden, solange diese nicht weg vom "erreichten Prinzip" führt.
Es ist wie auf der Bühne. Die Akteure handeln, doch das Drehbuch schrieb ein anderer. Jedoch im Unterschied zur Bühne, wissen die Akteure vom Drehbuch nichts.
Eben nicht,
denn jeder Mensch hat die Option seine eigene Entscheidung - damit seine eigenen (mehr oder weniger) bewussten "Betrachtungsergebnisse" zum Sachverhalt über sein persönliches Handeln einfließen zu lassen. Nur wer (theoretisch) ausschließlich kopiert, entzieht sich der Verantwortung (die ihm eigentlich obliegt) aus seiner persönlichen Sicht "ideal". Tatsächlich ist dies nicht so, da wir alle eine soziale "Aufgabe" - die Erhaltung und Fortentwicklung unserer Art - zu erfüllen haben.
Je effizienter ein System - z.B. im Extremfall einer "absoluten Diktatur" - es schafft, den Menschen das Gefühl für persönliche Verantwortung abzunehmen, desto wirksamer ist die direkte aber auch indirekte Manipulation auf die gesamte Gesellschaft. In dem Fall schriebe das "Drehbuch" z.B. das Regime, während die Menschen danach spielen - ohne selbst Verantwortung aufzubringen.
Schon deshalb bin ich eine Art "Verfechter" für möglichst bewusstes - also auch ehrliches wie offenes - Leben und Handeln. Es ist die beste "Impfung", das beste "Immunsystem" gegen Manipulation oder evolutionärer Beschränkung ganzer Gesellschaften.
Je Mehr Menschen nach ihren persönlichen Möglichkeiten eigenverantwortlich und bewusst handeln (auf eigenes "Gewissenskonto" sozusagen) - die dazu nötigen Fähigkeiten natürlich auch überhaupt erlernen konnten - desto multipler und vielfältiger ist eine Gesellschaft, damit auch nach evolutionären Gesichtspunkten "robuster". das ist in etwa vergleichbar mit dem Immunsystem des Menschen oder von anderen Tieren / Pflanzen - je mehr "Erfahrungen" ein Immunsystem machen konnte, desto erfolgreicher kann es sich gegen Manipulationsversuche durch Viren u.a. Erregern von Krankheiten durchsetzen. Starke Regime sind dagegen "Monokulturen", die entsprechend kurze Lebenserwartungen haben, auch wenn sie für den Betreffenden besonders "stark" empfunden werden.
cheers,
Niels.